Restaurants

The Clove Club, London, England

Verschwörungstheoretiker aufgepaßt: 2014 kochte nach der The World’s 50 Best Restaurants-Zeremonie Massimo Bottura im The Clove Club, im darauffolgenden Jahr briet René Redzepi verschwitzt und leicht zerzaust Spiegeleier an gleicher Stelle. Scheint also nicht nur deshalb ein heißes Restaurant zu sein, denn aktuell darf sich das Londoner Restaurant über Platz 26 und die Auszeichnung als höchster Neueinsteiger in diesen seltsamen Top 50 freuen.

So, kann auch mir noch Hoffnung machen? Denn bevor das Restaurant 2013 in der Shoreditch Town Hall seßhaft wurde, war es ein Supper Club. Sollte ich also meine Kochleidenschaft professionalisieren? Ne, eher nicht, besser beim Schreiben und Fotografieren bleiben, denn ganz so ahnungslos waren die drei smarten Gründer nicht: Küchenchef Isaac McHale kochte zuvor im Ledbury und im Noma.Sie haben das aber richtig aufgezogen: Interesse geschürt und dann das Restaurant eröffnet. So erfolgreich übrigens, dass sie als eines der ersten europäischen Restaurants ein Ticket-Reservierungssystem einführten, der Gast also sein Menü vorab wie eine Konzert- oder Theaterkarte bezahlt und am Ende nur noch für Getränke und Trinkgeld – und für Wein kannste in London echt Geld lassen, und 12,5 Prozent Trinkgeld werden obligatorisch auf den Rechnungssumme aufgeschlagen – zur Kasse gebeten wird.BarbereichHype und Trend sind mir eigentlich egal. Hätte mir das Menü nicht gefallen, hätten mich die Präliminarien gar weniger zum Besuch animiert. Mich interessiert allerdings die Entwicklung der Küche in einem Land, dessen Küche – wie übrigens auch die niederländische – lange Zeit nicht unbedingt im Blickfeld von Gourmets stand. Zudem stellen wir uns auf dem Weg zum Restaurant die Frage, warum wir uns der Stadtteil Shoreditch bei unseren London-Besuchen eigentlich noch nicht näher angeschaut haben: Jung, angesagt und mit einladenden Cafés und Restaurants an jeder Ecke.

Bei unserer recht kurzfristige Buchung war für einen Freitagabend nur noch ein Tisch für 18:15 Uhr im Barbereich zu haben. Dadurch hatten wir zwar keinen Blick in die überraschend kleine offene Küche, allerdings einen Fensterplatz und mehr Privatsphäre als im recht eng bestuhlten, vollem Restaurantbereich. Und zu essen gibt es dort eh das Gleiche, am Wochenende ein festes 9-Gang-Menü mit einigen Snacks vorab.dsc_8884-bearbeitetdsc_8895-bearbeitetDie Snacks kommen zu den hervorragenden Aperitif-Cocktails rasant schnell. Beinah zu schnell für unseren Geschmack. Hier werden im Gegensatz zu anderen Adressen die Tische nur einmal besetzt, aber dafür strenge Abläufe eingehalten – oder der erste Hunger des weitgereisten Gastes soll erst einmal gestillt werden. Egal, Crab Cake, geeister Rote-Bete-Gazpacho mit Ziegenkäse und Haggis-Bällchen und in Buttermilch gebackenes Hühnchen mit Piniensalz schmecken ausgezeichnet und sind auf den Punkt.dsc_8898-bearbeitetRecht exemplarisch für den Kochstil im Clove Club ist die geflämmte Makrele aus Cornwall mit englischem Senf und Gurke. Das ist von der Zusammenstellung erst einmal nicht weiter ungewöhnlich und klingt vertraut. Es schmeckt aber besser. Dabei sticht die grandiose Fischqualität heraus, zu der sich begleitend klare Aromen gesellen. Schärfe und Frische sind genau richtig dosiert.Küchenchef Issac McHale wurde auf dem schottischen Archipel Orkney geboren, von dem das Schalentier bei Raw Orkney scallop, Hazelnut, Clementine & Wiltshire Truffle stammt. Genau dessen Qualität ist grandios: der Geschmack ist auch in diesem Zustand pure Intensität und von der Konsistenz und dem Mundgefühl angenehmst. Das Gericht ist – wie Jakobsmuschel häufiger kombiniert wird – auf der erdig-herben, nussigen Seite angelegt. Doch ist da eine gewisse Andersartigkeit durch die Tintenfischsauce. Aber auch die rohen Pilzscheiben und den englischen Herbstrüffel, aufgelockert durch die herbe Frucht der Clementine, tragen dazu bei. Den Trüffel aus den feucht-kühlen Wäldern konnte ich schon mal im Red Lion Freehouse dort in der Nähe probieren; dabei handelt es sich um eine mit dem Sommertrüffel (Tuber aestivum) verwandte Art (Tuber unicatum), die aber intensiver ist – etwas, wofür die manchmal zickigen Witterungsverhältnisse auf der Insel wie auch bei der Sekterzeugung dann doch gut sind.Die Warm chestnut & oyster brooth, wild Scottish seaweeds erinnert ein wenig an ein Dashi. Dabei ist die Suppe cremig und geschmacklich unglaublich engmaschig.Monkfish cooked in malted barley oil, Jerusalem artichoke & coffee schmeckt gut, ist aber nicht so mitreißend wie die Gänge zuvor. Interessant ist das flavour pairing aus gemälzter Gerste, Topinambur und Kaffee allemal – und naheliegend, denkt man nur an Muckefuck.Kann man mal machen und wie mit A light buckwheat pancake of crisp suckling pig & long pepper ein kleines Fingerfood einschieben. Schmeckt gut und stellt das Fleisch in den Mittelpunkt. Das Fazit zu diesem Gang liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen: Entweder hat die Küche damit alles zum Thema gesagt oder der Gang hat ein wenig zu viel Snack-Charakter.Wahrscheinlich haben wir blöd aus der Wäsche geguckt. Der Hintergrund: Das Menü wurde erst nach dem Essen ausgehändigt und wir hatten zwei verschiedene Weinbegleitungen. Als also der Service mit dem Tablett mit einer Karaffe und einer Flasche naht, erwarten, nein befürchten wir schon das Ende des herzhaften Teils.
Aber noch einmal Glück gehabt, denn ins Glas kommt erst ein Minischlückchen des göttlichen aufgespritzten Weins. Anschließend folgt in das vinierte Glas und den Mund voller Nachhall mit einer ausgezeichneten Suppe der zweite Teil von A light duck consommé, hundred year old Madeira. Suppe,Brühe, Consommé: der bessere Sorbet-Gang – fast immer.

Was machen die eigentlich mit dem Rest der Ente? Auf unserem Teller landet ein Stück Brust bei 21 day dry aged Aylesbury duck, fermented cabbage, beetroot & blackcurrant. Schon bei der Präsentation hatte der mit Innereien im Heu gereifte Vogel verführerisch geduftet. Da kann auch der Geschmack des saftigen Teilstücks mithalten, das nur von einer leichten, klaren Sauce und wenigen, guten Gemüsen begleitet wird. Mehr Fleisch braucht es dann auch nicht. Und doch: wer darf die Keulen und Flügel abnagen?Sehr erfrischend ist Amalfi Lemonade & Kampott Pepper Ice Cream. Sauber herausgearbeitet wurde das herrliche Zitronenaroma, das vom schwarzen Pfeffer noch einen letzten Kick bekommt. Das Eis, mit einer Textur zwischen Sorbet und Softeis, ist so keineswegs banal. Ernsthaft Apple tarte tatin & sour cream als Dessert-Höhepunkt? Ja, und es ist ein Höhepunkt, weil trotz optischer Bescheidenheit der Geschmack einfach köstlich ist. Es stimmt die Gewichtung aus Teig und Belag sowie aus Süße und Saftigkeit.Die Geschichte auf dem Zettel ward leider ebenso schnell vergessen, wie die Petits fours gegessen. Nein, doch nicht, denn ein Teil ist Fernet Branca und den Gründern des St. John, Fergus Henderson und Trevor Gulliver, gewidmet: Eine Praline aus Fernet Branca und Crème De Menthe nach dem Rezept “Dr Henderson” aus dem Referenzwerk “Nose to Tail”. Fein.

Das war ein sehr gutes Menü. Mit der regionalen und gemüselastigen Küche kocht man natürlich wie vielerorts aktuell. Dabei gelingt es, eine eigene Marke mit ungewohnlichen Kombinationen zu den hervorragenden Produkten, die im Mittelpunkt stehen, zu setzen. Das Stichwort lautet sicherlich food pairing, wobei im Clove Club durch zwei verschiedene Weinbegleitungen und guten Drinks eher flavour pairing die, wie so häufig, treffendere Bezeichnung liefert. Dass es dabei ausgezeichnet schmeckt, unterhaltsam zugeht und der zahlreiche Service informiert, aber nie belehrend zur Tat schreittet, trägt zum souveränen Eindruck bei allem Hype bei. Much ado about much.

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