Fritz’s Frau Franzi, Düsseldorf
Eine Baustelle weniger. Die Eröffnung des Hotels The Fritz in Düsseldorf zog sich länger als geplant hin. Die niederländischen Investoren und Hoteldirektorin Eva Herrmann, vormals Herrmann’s Romantik Posthotel, hatten schon zeitig einen bekannten Koch engagiert. Der als Küchenchef eingeplante Volker Drkosch schmiß irgendwann entnervt hin und eröffnete bekanntermaßen sein Bread & Roses. Die ganze Geschichte kann man sich, muss man aber nicht wirklich, bei Kabel eins ansehen. Jetzt endlich haben das Boutiquehotel und auch das zugehörige Restaurant Fritz’s Frau Franzi eröffnet.
Küchenchef ist nun der 28-jährige Benjamin Kriegel, der zuvor als Souschef im Victorian in Düsseldorf arbeitete, wohin er noch von Drkosch geholt worden war. Bei seinen vorangehenden Stationen, wie die Résidence** in Essen und der Überfahrt*** von Christian Jürgens, überrascht diese Verpflichtung nicht. Doch wie von der eigenen Courage überrascht, hat man ihm mit dem niederländischen Koch und Gastronomierberater Robert J.K. Kranenborg noch einen väterlichen Mentor zur Seite gestellt.
Beim Gast lösen diese Vorraussetzungen, wenn schon nicht übertrieben hohe Erwartungen, dann doch zumindest gespannte Vorfreude aus. Da will ich mich auch gar nicht über die Grammatik beim Restaurantnamen auslassen und mich über den DJ beklagen, dessen sanfte Beschallung mit loungigem Drum ‘n’ Bass ich weitestgehend ausblenden kann.
Das kleine, stylishe Hotel hat ein offenes Konzept. Nach dem Betreten steht man direkt vor der Bar, die gleichzeitig als Rezeption dient. So kommt ein Gefühl von Essen im Hotel gar nicht erst auf. Der Übergang in den rückwärtig gelegenen Restaurantbereich verläuft fließend und führt am erwähnten DJ und seinem Pult vorbei. Das sieht alles recht durchdesigned und puristisch aus, mich interessiert aber die teilweise zum Gastraum offene Küche, vor der bequeme Sitzbänke zum Gucken und Essen einladenZum farblich auf das Design abgestimmten Signature Cocktail aus Melone, Blue Curaçao und Sekt gibt es als Snack eine hübsche Knabberei. Die Chips von Rote Beete, Süßkartoffel und Pastinake sind hauchdünn gefertigt und in ein Fundament aus Ziegenfrischkäse mit Olivencrumble gesteckt. Kein Vergleich mit dem neuen und ekelhaft penetranten, klebrig süßen Supermarkt-Pendant von Funny-Frisch.Los geht es mit Kraut und Rüben: Roh geriebene Karotten mit grünem Krautsalat, frischem Koriander und fermentierten Karottensaft. Die Rohkost schmeckt erfrischend und ist eher säuerlich, denn süßlich angemacht. Kriegel hat dem Auftakt eine dezent asiatische Aromatisierung beim Saft und den Mayonnaise-Klecksen, die für verbindende Cremigkeit sorgen, mit auf den Weg gegeben. Neben dem knackigen Gemüse sorgen die recht neutralen Reiscracker für abwechslungsreiches Mundgefühl.
Frische und Säure spielen auch beim roh marinierten Saibling mit Radieschensalat, ABB-Senf, Verjus-Rapsölvinaigrette eine Rolle. Hinzu kommt die Substanz des Eismeer-Fischs. Wieder, diesmal deutlich aromatischer vom Schilfroggenbrot der Hercules Bäckerei aus Düsseldorf, sorgen Cracker für Textur und hier auch Geschmack. Nicht zu Unrecht bezeichnet der gebürtige Sauerländer die Konzeption des Gerichts als “German Ceviche” und sucht auch für den Fisch einen regionalen Züchter im Bergischen oder im Sauerland – mit dem besten Düsseldorfer Senf, dem Brot und Rapsöl geht es schließlich bereits heimisch zu. Das schmeckt sehr natürlich und ausgezeichnet. Einzig die Rettichscheiben sorgen im Zusammenspiel mit dem Fisch für ein Störfeuer beim feinen, ausgewogenen Gericht.
Grandios ist das gebeizte Kalbsfilet mit Räucheraalcrème, Rotkohlsalat, Staudensellerie und Sonnenblumenkernen. Auf herzhafte Weise erinnert der saftige, leicht deftige Gang an ein Vitello tonnato. Mir gefällt diese Version in ihrer Transparenz und Frische besser. Die Fettfisch-Crème ist intensiver und spannender als eine gefällige, breite Thunfischzubereitung. Dabei würzt sie Fleisch mit spürbarem Geschmack und trifft auf einen auch als Solitär ausgezeichneten Salat. Sehr gut!Der junge und aufmerksame Service schiebt einen Servierwagen mit einem Topf heran. Darin liegen zwei Garnelen. Ein wenig heißes Wasser auf das ebenfalls heiße Salz, es dampft und der Deckel kommt drauf. Nach kurzer Zeit verschwindet der Topf wieder in der Küche und die Krustentiere werden zu auf Salz gegarte Wildgarnele mit alten Tomatensorten und Pierre Robert angerichtet. Diese kleine Showeinlage erinnert mich an die Zubereitung des Kaisergrants bei Klaus Erfort. Das ist aber völlig unproblematisch, da es geschmacklich auf dem fertigen Teller völig anders zugeht. Pierre Robert ist ein französischer Weichkäse aus Kuhmilch mit Außenschimmel, dessen kräftiges Aroma mit säuerlicher Note überraschend wunderbar zum spezifischen, süßlichen Garnelengeschmack passt – vieleicht eine Frage des Eiweiß’ beider Produkte. Der dritte Mitspieler, die reifen und weichen Tomaten und die Tomatenessenz, passt vorzüglich dazu.Ich habe gelesen, dass Blumenkohl ein Trendgemüse des Jahres 2016 sei. Interessant, denn dann war die Spitzengastronomie mal wieder ein guter Indikator. Dort wird der Kohl, der in der Alltagsküche ja nie weg war, neben Kohlrabi, Rettich, Steckrübe oder Schwarzwurzeln seit längerer Zeit begeistert aufgetischt. In bester Root-to-Flower-Manier variiert ihn auch Benjamin Kriegel beim in brauner Butter confiertem Ahrenhorster Waller mit Blumenkohlcrème, roh mariniertem Blumenkohl und Kapern. Dabei verzichtet er auf stark angeröstete bis verbrannte Elemente, die zwar ebenfalls trendy wären, aber die Harmonie erheblich stören würden. Die nussige Röstnote findet sich in genau richtiger Dosis beim Zuchtfisch aus der Gegend um Osnabrück. Ein ausgeglichener Teller, der auch wegen des Sauerklees leicht und frisch-natürlich bleibt.Da gerade von Trends die Rede ist: Der Schweinebauch ist – auch durch langes Garen – nicht totzukriegen und weiterhin in diesem Zustand ein beliebter Gast auf Speisekarten. Kein Wunder, wenn die Kruste so kroß ist und das Fleisch so saftig-zart wurde wie beim 36 Stunden gegarten Duroc-Schweinebauch mit Kartoffelpüree, gebratenen Waldpilzen und Pilzsud im Fritz’s Frau Franzi. Kriegel hatte den Bauch vorm Garen gepökelt, was bei allen Bedenken gegenüber Natriumnitrit für ein noch besseres, da saftigeres Ergebnis sorgte. Was bisher bei allen Gerichten auffiel, gilt auch hier: Kriegel ist ein umsichtiger Würzer: es geht aromatisch präzise zu, aber der Salzgehalt ist durchgehend auf einem angenehm zurückhaltenden Niveau, was die Natürlichkeit bestens betont. So haben exemplarisch die Pilze und ihre Brühe deutlichen umami-Druck, aber sind als Produkt schmeckbar. Ausgezeichnet.Dass der herzhafte Teil des Menü beim gegrillten Roastbeef mit Sellerie aus der Salzkruste, Sellerie-Crumble und Madeira-Sauce endet, ist folgerichtig, denn hier geht es am kräftigsten zu. Gerade der Sellerie bringt in diesem Fall neben seinem typischen Geschmack ebenfalls umami und durch die Zubereitungsart, die für Konzentration sorgt, mehr Salzigkeit mit. Das intensive Fleisch vom Green Egg kann mit seinen Grillnoten gut mithalten. Die Konsistenz – und das ist nicht negativ gemeint – ist nichts für bissfaule Zartheitsfanatiker. Schlicht und ergreifend lecker.Zwar muss es manchmal der große Käsewagen sein, aber ebenso freue ich mich über einen Käsegang wie Vacherin mit Feldsalatpüree, Quitte und Kartoffel. Der köstliche, warme Weichkäse aus Frankreich läuft nach dem Anschneiden aus dem Kartoffelzylinder. Natürlich erinnert die tournierte und ausgehöhlte Kartoffel an Christian Jürgens Signature Dish “Kartoffelkiste”, bei dem die Kartoffel mit Ei gefüllt ist und mit Trüffel serviert wird. Warum aber sollte Kriegel einen Teil dieses technisch aufwendigen Rezepts nicht in anderem Kontext verwenden – gerade Jürgens hat bekanntermaßen mit Weiterentwicklungen guter Ideen kein Problem.
Die Kombinationen Mango und Kokos sowie heiß und kalt funktionieren beim warmen Mango-Dim Sum mit Kokoseis, Kokosschaum und Passionsfruchtkerne ausgezeichnet. Das schmeckt einfach befriedigend und schlüssig. Überforden könnte der Komplett-Verzehr der mit Passionsfrucht-Tapioka und sahnigem Topping gefüllten Sektschale – sieht zwar gut aus, darf aber dennoch weniger sein.Optisch apart kommt auch der herbstliche Waldboden aus Schokolade Eiscrème Haselnussparfait mit Gewürzpuder, Hippenblätter und Haselnusserde daher. In dem kühlen, herben und würzigen Ensemble spiegelt sich der Herbst auch beim Geschmack wider. Dass ein wenig viel trockene Erde auf dem Teller ist, fällt bei dem überzeugenden und nicht zu schweren Schokoladen-Dessert nicht zu sehr ins Gewicht.
Daran schließen thematisch nahtlos die auffallend guten Friandises an. Die mit Williams Birne, Schokomousse und Lebkuchencrème gefüllten Lollis sind ein stimmiger Abschluss. Generell gilt: Besser ein paar richtig gute Kleinigkeiten als viele und wenig überzeugende.
Bereits zu diesem relativ frühen Zeitpunkt war dies ein ausgezeichnetes Menü. Ich schätze die Einordnungen in Schubladen, die Verschlagwortung zwar nicht wirklich, aber der Begriff “zeitgemäß” scheint mir für diese Küche am besten zu passen. Gleichzeitig könnte man das überstrapazierte casual fine dining auf das Konzept anwenden. Zeitgemäß aber deshalb, weil mit viel Gemüse gearbeitet wird und die Gerichte leicht und natürlich sind. Dabei schmeckt es einfach gut und es macht Spaß, diese gleichsam interessante sowie zugängliche Küche zu essen. Benjamin Kriegel setzt nicht auf vordergründige Show-Effekte, sondern überzeugt mit kulinarischer Substanz und modernen Techniken und souveränem Handwerk. Das ist viel mehr, als markige Sprüche in der Menükarte verheißen: “(…) Weltküche mit experimentellem Touch” oder “(…) wird mindestens ein Gericht dabei sein, das Sie so noch nicht gegessen haben”.
Dazu führt eine kleine Weinkarte prima Weine auf, die weitestgehend annehmbar kalkuliert sind. Vieles lässt sich glasweise bestellen. Die Weinbegleitung zum Menü war sorgfältig und überzeugte beispielsweise mit einem Rosé “Cuvée Prestige Terre de Croix” 2012 vom Château Roubine zum gebeizten Kalbsfilet ebenso wie mit dem Rotwein des südfranzösischen Weinguts “Les Enfants Sauvages” zum Roastbeef oder der 2015 Rieslaner Auslese vom Juliusspital zum Mango-Dessert. Oder man bestellt sich einfach einen Cocktail zum Essen – da wird hier niemand die Augenbrauen hochziehen. Soll ja schließlich individuell und lässig sein und dabei Spaß machen…
Hört sich doch gut an. 🙂
Grandiose, feingliedrige und sensible Aufnahme. Uns hat es beim ersten Besuch so gut gefallen, dass wir zum Frühstück geblieben sind. Auch die Zimmer sind toll. Aber das wäre dann natürlich doch “Essen im Hotel”…
Würde Dich/Sie gerne persönlich kennenlernen. Vielleicht bei einem Essen im FFF, Bread & Roses oder einem unbekannten Restaurant?
Freundliche Grüsse,
Florian