Christian Krügers Niederrhein RegioTable: Schauhof, Willich
Der Hauptgang hatte einen Namen!
Der “Niederrhein REGIOtable” von Christian Krüger gab sein zweites Gastspiel, auf dem Bioland-zertifiziertem Schauhof in Willich. Das Projekt des ehemaligen Sternekochs und Gastronomie-Experten hat das Potential zur Erfolgsgeschichte: Kochen mit hofeigenen und bis regionalen Zutaten, Verzicht beim Zubereiten auf Strom und Gas und ein einmaliges Setting – 20 Gäste erlebten mehr als nur ein Fünf-Gang-Menü.
Der Lebensmittelhandel und Restaurants, Zeitschriften und Magazine sowieso, werfen mit Trend-Schlagworten gerne um sich: Nachhaltigkeit, Regionalität, Bio. In den wenigsten Fällen allerdings kann der Verbraucher – trotz Tierwohl-Versprechen oder grünem Stern des Guide Michelin – sich vom Wahrheitsgehalt überzeugen.
Was in Restaurantküchen und Produktionsstätten zumeist (Ausnahmen gab es bereits für Stef’s Table hier und hier) nicht möglich ist, funktioniert, wenn man dorthin geht, wofür man vielleicht seine Komfortzone verlassen muss. Die Schuhe dann wahlweise von Staub oder Matsch bedeckt sind, der Geruch nach Tier manchem Städter in der Nase brennt. Gute Bauernhöfe in der Region lassen sich oftmals besuchen. Wie der Fleckviehbetrieb Schauhof in Willich zwischen Düsseldorf und Mönchengladbach. Ein Beispiel, wie Bio positiv gelebt und nicht vom Discounter groß plakatiert und dennoch irgendwie entwertet wird.
Niederrhein RegioTable: Der erfahrene Spitzenkoch Christian Krüger setzt auf Bio, Regionalität und Feuer
Solche Biohöfe in den Fokus stellen, will Christian Krüger. Ein erfahrener Koch, der viele Facetten der Gastronomie und der Lebensmittelbranche kennt. Nach der Ausbildung im heimatlichen Ostwestfalen kochte er bei der Bundeswehr, in Sternerestaurants und immer wieder erfolgreich bei Wettbewerben wie beim renommierten Bocuse d’or. Während seiner Selbstständigkeit leuchtete auch einer der begehrten Michelinsterne über seinem Restaurant “Axt” in Mannheim. Danach war er in einer Führungsposition beim Großhandels-Giganten Metro tätig und ist aktuell Leiter Produktentwicklung und Beratung beim Küchenbauunternehmen “Mise en place® Gastro Solutions” in Duisburg.
Dazu ist der 43-Jährige schon seit langem passionierter Imker und hat vor einiger Zeit mit Ehefrau Swetlana, einen Demeter-Bauernhof in Kalkar erworben. Vielleicht mit ein Grund für die beiden, sich mit den Zutaten vor der niederrheinischen Haustür zu beschäftigen und, für Christian Krüger, wieder am Herd zu stehen. Wenngleich der Herd in diesem Fall ein mit Holzscheiten beheizter Feuerplatten-Grill und das Restaurant der mit Stroh ausgestreute Kälberstall des Schauhof ist, der von Swetlana Krüger, die gewohnt souverän den Service übernimmt, aufwendig mit Blumen, Besteck und Weingläsern auf mitbrachten Holztischen schick eingedeckt wurde.
Fleckviehbetrieb Schauhof in Willich: Hier geht’s normalerweise um die Bio-Milch
2016 haben Petra und Peter Zens ihren Fleckviehbetrieb Schauhof, den sie in siebter Generation führen, auf Bio umgestellt. “Es war schwer, eine Molkerei zu finden, die unsere Milch abnimmt”, erklärt Peter Zens beim Hofrundgang. Denn der Schwerpunkt ist Milchvieh, bei dem die Kälber neben ihren Müttern aufwachsen. Neben 80 Kühen gibt es ein paar Hühner und ein wenig Ackerbau, woher auch das ausschließlich hofeigene Viehfutter stammt. Die konventionelle Milch hatte man an Arla geliefert, für die Bio-Milch fand man dann aber Aurora in Kleve. Zudem betreibt das Ehepaar, dessen jüngsten Sohn im dritten Lehrjahr irgendwann den Betrieb übernehmen möchte, seit drei Jahren selbst eine hofeigene Molkerei, verbunden mit einer Anlage zum Pasteurisieren von Milch und Joghurt, die man im kleinen Lädchen mit Roh-Milchtankstelle, Vertrauenskasse für Joghurt und Automaten für Eier und Honig kaufen und dabei sogar den Hof anschauen kann.
Im nahen Düsseldorf kennt man die intensive Milch aus der Eisdiele Nordmanns und der Bäckerei Bulle, von der auch das Brot des Mittagessens, gebacken mit Weizen vom Schauhof, stammte. Hat eine der Kühe, von denen eine jede einen eigenen Namen am Ohr trägt, ihre Milchleistung erbracht, kommt sie zum Schlachten. In der Naturfleischerei Wefers gibt es dann das Fleisch zu kaufen.
Weitere Veranstaltungen der REGIOtable-Reihe finden dieses Jahr noch statt, davon sind einige Termine bereits ausgebucht. Es gibt zusätzlich immer ein vegetarisches Menü; das Komplettpaket aus Aperitif, Hofführung, fünfgängigem Menü inklusive Brot und Butter, Wasser und begleitenden Weinen oder alkoholfreien Getränken kostet pro Person € 139. Informationen und Buchungen über die REGIO-Table-Website.
Das REGIOtable-Menü
„Brotzeit“
Brot / Butter / Creme
„Fischbrötchen“
Niederrheinischer Forellen-Matjes / Hanfbrötchen / Gurke / Zwiebeln / Wiesenkräuter
„Ackergold“
Rote Bete / Senfkaviar / Hafernaise / Pflücksalat
„Hühnerstall“
Ü-Ei / Huhn / Blumenkohl / Heimat-Umami-Brühe
„Einblick“
Hof-Fokus (hier Entrecote und Schaufelstück) / fermentiertes Feldgemüse / Pflanzensud
„Bienenstock unter dem Apfelbaum“
Apfel / Bienenwachs / Honig / Heu / Molke
Wenngleich die Gerichte durchweg auf sehr hohem Niveau spielten, geht der REGIOtable über ein normales Essen im Restaurant hinaus. Allein wegen des ungewöhnlich Settings und der unverkrampften, doch undogmatischen Beschränkungen, die sich Christian Krüger auferlegt. Vor allem auch, weil die Gäste direkt am Küchengeschehen sitzen. Aufstehen und Zuschauen, Fragen stellen und ins Gespräch kommen – ausdrücklich erwünscht. Wie früher, als die Küche der Treffpunkt der Familie und des mittäglichen oder abendlichen Austausches war. So annonciert Krüger seine Gerichte nicht nur, sondern erzählt Geschichten übers Fermentieren von Zutaten (aus gekochten Hafer und mit Koji fermentiertem Hafer wird eine Hafernaise) und zur Psychologie des Tellers: “Wenn die Beilagen rechts hoch anrichtet sind, nimmt der Gast ein kleines Stück Fisch oder Fleisch als größer wahr.”
Auch so manch’ einleuchtender Tipp verblüffte. Weil es am Niederrhein keine Heringe für Matjes gibt, hatte lokale Forelle ihren köstlichen Auftritt. Die wurde erst per Ikejime-Methode sanft geschlachtet und reifte dann wie beim Original mit nicht entfernter Bauchspeicheldrüse zu Matjes heran. Die Schlangengurkenwürfel dazu intensivierten im Kochsud die oftmals weggeworfenen Gurkenkerne. In die gleiche Kerbe wie das Komplettverwenden einer Zutat schlägt die Vermeidung unnötigen Mülls, der in Profi-Küchen häufig durch die beim Sous-vide-Garen verwendeten Plastikbeutel anfällt. Imker Krüger setzt hier auf ein natürliches Produkt: Bienenwachs. Darin hatte er das Schaufelstück vom Rind mit Wildkräutern und Blüten verpackt und im heißen Weisserbad gegart. Ein Schutz, der Temperaturen bis 63 Grad aushält, aber auch als Ummantelung eines Apfels oder Pflaume zur Kellerlagerung dienen kann.
Um mehr zu erfahren, zum Beispiel was aus 500 Gramm getrockneten Pflaumenkernen, Kandis und einer Flasche Korn entsteht, lohnt sich, einen Platz am REGIOtable zu buchen.