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Au Passage, Paris, Frankreich

Guckt man sich nur die Fotos an, könnte man auf den ersten Blick denken: Ist doch nett und durchaus charmant. Das Au Passage hat ein gemütliches Ambiente, so ein wenig Richtung Shabby Chic, und eine kleine Tageskarte mit interessant klingenden Gerichten. Entpuppt sich die Empfehlung eines Locals als Perle? Dazu wurde es auch an einem Montagabend richtig voll. Ein recht junges, gemischtes Publikum – international dazu,  belegte alle Tische, manche gar mehrmals. Doch der erste Eindruck, der auch mir gefiel, täuschte leider. Das Essen war nämlich nicht besonders toll. Natürlich ist es in einer Stadt mit über fünfzehntausend Restaurants müßig, über ein mittelprächtiges Erlebnis zu parlieren und doch ist der Besuch in dem kleinen Restaurant exemplarisch.

Es begann mit einer ordentlichen Schweineterrine mit Pistazien und einem gutem Brot dazu vielversprechend. Doch schon beim nächsten der im Tapas-Style gereichten Teller zum Teilen herrschte Ratlosigkeit. Die Austern waren auf Minimalgröße klein pochiert, so dass die vielleicht gelungene Zusammenstellung mit Granny Smith, Topinambur und Vanille der Phantasie überlassen blieb. Diese Ungenauigkeiten setzten sich fort. Einem trotz knusprigen Schweineohr belanglosem Chicorée-Salat folgte ein teilverkohlter Steckrüben-Rösti mit geschmacklosen, frittierten Garnelen und Bananenketchup. Produktqualität und -geschmack standen bei keinem der Gerichte ansatzweise im Vordergrund. Der gut gegarte Pulpo war mit einem Paprika lastigen BBQ-Rub und der Finalisierung auf dem Green Egg zur Unkenntlichkeit aromatisiert und mit Kichererbsencrème, Racicchio und Trauben-Senf durchaus vergnüglich essbar, aber hätte mit ein wenig Umsicht eben über eine gute Kombination hinausgehen können. Dass die Kalbskutteln beim abschließenden eintopfartigen Schüsselchen eher viel zu grob geschnittener Pansen und die Bruststücke nicht auffindbar waren, passt ebenso wie die durchgehend grob hinübergestreuten Kräuter, über deren Frische lieber der Schleier des Schweigens ausgebreitet wird, ins Bild. Das Spiegelei war in der Kombination noch recht interessant, weil es das gleichte Mundgefühl wie die zähe Innereienmasse mitbrachte und bei vernünftiger Ausführung durchaus dienlich gewesen wäre. Vielleicht hätte ein Dessert jetzt alles herausgerissen; vielleicht, denn auf die Bestellung verzichteten wir lieber.In diesem Fall hatte ich mich mal locker gemacht und nicht um die Wahl eines Etablissements gekümmert. Dafür gab es diverse Gründe, denn ein Restaurantbesuch stand bei meinem erst zweiten und wieder nicht richtigen Paris-Besuch nicht im Mittelpunkt. Das war wohltuend angenehm, sich ausnahmsweise – auch in der Gourmet-Hochburg – nicht damit zu beschäftigen, zumal oder gerade weil man in Paris die Qual der Wahl hat.

Die Lehre aus dem Besuch ist, sich doch weiterhin intensiv mit der Restaurantauswahl allerorts auseinanderzusetzen. Schnell täuschen Bilder und Berichte. Und nicht überall, wo viele Menschen essen, die Stimmung gut und das Ambiente interessant bis einladend ist, geht es kulinarisch anspruchsvoll zu. Dass der Besuch im Au Passage einem netten Abend nicht gänzlich abträglich war, lag natürlich an den Begleitumständen und daran, dass das Essen nicht ungenießbar war. Wäre man in der Seitengasse daran vorbei flaniert, wäre man ohne Weiteres eingekehrt, da der erste Eindruck verheißungsvoll wirkte.

Exemplarisch wird der Besuch dadurch, dass die Bilder eine ganz andere Sprache sprechen könnten. In einer Zeit von Facebook und Instagram läßt man sich durch die richtige Formulierung, den richtigen Kontext, gerne zu einem unkritischen “Gefällt mir” verführen. Ohne oder mit einem anderen Text könnten die Fotos doch durchaus für einen Besuch sprechen. Schnell entsteht ein rechter Hype, der sich bei einem Besuch umgehend als Trugschluss entpuppt. Bei der kurzen nachträglichen Recherche fällt auf, dass das Restaurant durchaus gute Berichte von Blogs und Zustimmung von Gästen erhält. Kaum zu beantworten bleibt die Frage, ob manche Gäste einfach zufriedenzustellen sind oder ich zu großen Erwartungen mitbringe.

Die grundsätzlichen Ideen aus der Küche mögen nicht schlecht und zu anderer Zeit als an einem Montagabend auch besser umgesetzt werden. Vielleicht haben der Zuspruch das Au Passage schlampig und skizzenhaft werden lassen. Überrascht hat nämlich der Anteil an Englisch der gesprochen wurde und hier gab sich auch der Service größte Mühe, Vorurteile bei der Sprache nicht zu erfüllen..

One thought on “Au Passage, Paris, Frankreich

  1. Essen in Paris ist eine Herausforderung. Von sensationell, einzigartig bis überteuertem Müll ist alles vertretten. Die Atmosphäre und das Flair der Stadt zieht einen sehr oft in kleine Bistro die oft eine Wundertüte sind.
    Danke für den tollen Bericht.

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