Brasserie Stadthaus, Düsseldorf
Vielleicht ist es die Lust auf verständlichen Genuß, der bekannte oder zumindest nicht allzu weit davon entfernte Geschmacksbilder bedient. Das Versprechen einer gewissen Eleganz gepaart mit einer Spur Weltläufigkeit. Eine eindeutige Küche, die Identität liefert, wo eine gutbürgerliche deutsche Küche und die Brauhausküche mit ihren Convenience- und Halb-Convenience-Produkten im Ungefähren verharrt. Kurzum, kulinarisch scheint also größerer Bedarf an französischen Momenten in Düsseldorf zu bestehen.
So reiht sich seit Jahreswechsel die Brasserie Stadthaus in den französisch inspirierten Gastronomiereigen ein, über den hier, hier und hier ansatzweise berichtet wurde. Das Restaurant befindet sich in Düsseldorfs jüngstem Neuzugang im Luxushotel-Segment, dem Derag Livinghotel De Medici. Betrieben wird es von den erfahrenen Gastgebern des traditionsreichen Weinhaus Tante Anna, Barbara Oxenfort und Tobias Ludowigs, sowie Florian Conzen, der zuvor Küchenchef im Düsseldorfer Intercontinental war.
Nach fünfjährigem Umbau wurde in der Altstadt aus dem an die Andreaskirche angrenzenden historischen Ensemble, das seit Baubeginn im Jahre 1625 Jesuitenkloster und -schule, Regierungs- und Verwaltungsgebäude, Polizeipräsidium und NS-Gedenkstätte war, ein wahres Schmuckstück. Auch die Einrichtung der Brasserie ist elegant und zeitlos-hochwertig – ein Ambiente wie man es an der “längsten Theke der Welt” zwischen Junggesellen-Abschieden und Remmidemmi-Läden selten vorfindet. Zu unserer Beruhigung: die Pächter sind auch nicht verantwortlich für die unschönen Reibereien mit schalem Beigeschmack, von denen AHGZ und Rheinische Post berichteten.
Zum Start kommt eine erprobte Paarung auf den Tisch: Avocat aux Crevettes. Der Klassiker ist frisch und modernisiert. In das Garnelentatar wurden Kräuter und in die Avocadocrème ein paar nicht vollreife Würfel eingearbeitet. Mit einem krossen Element, dünnen Apfelscheiben, Orangenessig und hier sinnvoll eingesetzten Sprossen wirkt der Geschmack klar und wie “belüftet”.
Bei der Soupe Glacée au Concombre aus der Carte du Jour heißt es: warmer Tag, kühle Speise. Die Küche hat bei der geeisten Gurkensuppe das Gurkenaroma deutlich hervorgeholt, leicht mit Essig abgeschmeckt und mit Blüten und Kräutern fein gewürzt, Der confierte Saibling ist gut, wenngleich er geschmacklich ein wenig unterzugehen droht.
Die aktuelle Karte führt nicht viele Innereien auf, abgesehen von Foie gras . Schade, sind es doch gerade Gerichte wie Langue de Veau de Lait, die besonders für französische Bistrokultur stehen. Die gepökelte und sanft gekochte Milchkalbszunge hat eine feinkräuterige Aromatisierung bei der Transformation von zähem Muskelfleisches zu einer, abgesehen von einer sehr durchwachsenen Scheibe, überwiegend zarten Fleisch-Delikatesse erhalten. Gerade mit einer Begleitung von Wiesenkräutern, Sprossen und knackigem Gemüse (Mais, Streifen von weißem und grünem Spargel sowie Perlzwiebeln) in einer mild-säuerlichen Vinaigrette sowie einer kräftigen Jus gefällt uns dieser Gang sehr gut. Nicht allzu negativ fällt ins Gewicht, daß die auf der Speisekarte annoncierten Kartoffelwürfel ein Kartoffelpüree sind.
Bei Escalope de Chevreuil aus dem Tagesmenü erleben wir eine Premiere. Ein mit Panko paniertes Schnitzel vom Maibock genossen wir bisher noch nicht. Wir stellen uns kurz die Frage, ob man Wildfleisch so zubereiten muß – aber das Ergebnis überzeugt: zart und beim Kauen setzt sich der mildem Kalbfleisch überlegene Geschmack des dunklen Fleisches durch. Beim guten, lauwarmen Kartoffel-Gemüse-Salat tun wir uns schwer, anderes Gemüse neben Kartoffeln und roten Zwiebeln zu entdecken. Das nur angekündigte Bärlauch-Espuma vermissen wir wahrlich nicht.
Mousse au Chocolat muß dann sein. Der etwas zu feste Schokoladenschaum schmeckt besonders schokoladig, da Schoko-Crumbles für weitere Unterstützung sorgen. Die Fruchtpürees sind nicht nur Zierde, sondern bringen einen adäquaten Gegenpol an Säure in die Üppigkeit,
Bei der Crème de Rhubarbe wissen wir nicht genau, wo sich der Waldmeister versteckt. Vielleicht in der Rhabarbercrème, die eventuell einen Hauch zuviel Gelatine abbekam. Mit Mangocrème und Früchten schmeckt das unspektakulär gut.
WYSIWYG – Trotz kleinerer Ungenauigkeiten und irritierender, unangekündigter Änderungen, die erst beim Schreiben mit dem Menü in der Hand auffielen und sich somit nicht sensorisch dramatisch auswirkten, waren die Gerichte geschmacklich präzise und angenehm sensibel gewürzt. Mit kleinen und willkommenen Abweichungen von den französischen Standards zubereitet sorgt die Küche für eine eigene Note. Der Service hielt noch nicht mit und wirkte ein wenig unaufmerksam: die Weinkarte wurde vergessen, am Ende mußten wir auf die fehlende Berechnung zweier Gläser Wein aufmerksam machen. Die Preisgestaltung entspricht im positiven Sinne der Relation aus dem Gebotenem, der Lage und dem Ambiente: wir haben in Düsseldorf für mehr Geld schon deutlich weniger gut gegessen und getrunken.
Die Brasserie Stadthaus ist für Düsseldorfer und Besucher nicht nur in der kulinarisch tristen Altstadt eine empfehlenswerte Adresse. Beim nächsten Besuch widmen wir uns dann den Meeresfrüchten.