Mit Speck fängt man Mäuse und Blogger
Ain’t singin’ for Pepsi / Ain’t singin’ for Coke / I don’t sing for nobody / Makes me look like a joke / This note’s for you – Neil Young
Letzte Woche klingelte der UPS-Mann. Zufällig war ich mal zuhause, nicht aber in Erwartung einer Lieferung. Der Absender ist mir wohlbekannt: Genußhandwerker. Ein Online-Markt für handwerklich produzierte Lebensmittel. Fleisch, Wurstwaren, Milchprodukte und Fisch in der Qualität, die man lange und machmal vergeblich im Einzelhandel suchen muß. Ich habe zwar ein recht gutes kulinarisches Netzwerk, aber manchmal gibt es Spezereien, die ich dort als erstes (wie das traumhafte Txogitxu Rindfleisch von der alten Kuh) oder nur dort finde. Problem: Es gab keine Bestellung meinerseits. Da hat doch hoffentlich niemand Schindluder mit meinen Daten im Internet getrieben. Und gottseidank war ich zuhause, denn “Das Paket enthält frische Lebensmittel” verheißt der Sticker. Was also ist in dem Paket?
Gut verpackt im Styropor finde ich unter einer Art Sägespänen, Kühlakku gekühlt, ein Stück Speck, genauer gesagt einen Block Lardo vom Cinta Senese Schwein. Und hilfreicherweise ein Anschreiben. Uff, es scheint also alles seine Richtigkeit zu haben, wenngleich der einleitende Satz dort etwas schräg klingt: “ja spinnen wir denn, Ihnen im Sommer unaufgefordert so ein fettes Stück Speck zu schicken?”
Meinetwegen, mir doch egal – geiles Stück Speck! Das Wasser läuft schon in meinem Mund zusammen. Also ist jetzt für mich geklärt, warum ich diesese Sendung bekommen habe. Das muß eine Rückgewinnungsaktion für Kunden sein. Wesentlich charmanter als die nervigen Anschreiben, Mails und Anrufe von Vodafone oder Sky allemal. Ich hatte bei den Genusshandwerkern ab und zu mal etwas bestellt, Zuletzt länger nicht – es lag nicht an der Qualität.
Später am Tag lese ich dann bei Facebook von Bloggern, die diese Überraschung auch unabgesprochen erhielten und daraufhin teilweise erbost bis zickig reagierten. Ach so, ich habe ja auch ein Blog. Ein reichweitenbeschränktes zweifelsfrei, ohne nach Kooperationen zu heischen oder ein Media Kit zu offerieren. Immerhin komme ich wie das Unternehmen aus Düsseldorf…
Im Anschreiben werde ich an keiner Stelle aufgefordert, etwas anderes zu tun, als diesem Stück Fett meine Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen. Also könnte ich es einfach öffnen, zerteilen, einen Teil essen und den anderen für schlechte Zeiten einfrieren, was man gut kann. Denn wer kann so ein großes Stück fetten Speck so einfach vertilgen, wenn er nicht gerade unwahrscheinlicherweise in den Mamorbrüchen bei Carrara geschufftet hat?
Ich schreibe hier darüber. Weil ich schon zuvor dort bestellt habe und zufrieden war. Weil ich dahinterstehe. Weil es ein tolles Produkt ist. Weil ich darüber berichten will und kann. Die Firmen Staub, KitchenAid und Vorwerk für einen Thermomix habe ich auch schon angeschrieben. Jetzt, wo es doch so gut anläuft… 😉
Da ich nicht in besagten Steinbrüchen arbeite und momentan außer Windeln wechseln keiner körperlichen Arbeit nachgehe, wird der Schweinespeck eher homöopathisch eingesetzt, Dieser hier ist ist ausgezeichnet. Ohne Konservierungsstoffe, nur mit Meersalz und frischen Kräutern in Marmortruhen gereift. Da habe ich selbst auf Slow Food-Märkten in Italien leider längere, “böse” Zutatenlisten lesen müssen. Dünn aufgeschnitten zerschmilzt er und hat genug Geschmack und Würze, um die Hauptrolle zu spielen oder in ein Gericht integriert zu werden.
Als erstes kommt er dünn aufgeschnitten – oder was ich darunter verstehe – auf geröstetes Brot. Es findet sich noch ein Knäppchen Skuanete, einem ursprünglich aus der Murgia stammenden Knetbrot, hergestellt aus doppelt gemahlenem Hartweizengrieß, vom Bäcker Schüren – wie erwähnt wir horten etwaige Brotreste. Vielleicht ein Tropfen bestes Olivenöl obenauf. Das ist frugal und gleichzeitig purer Luxus.
Am nächsten Tag verwende ich den Lardo dann bei mit den klassischen Zutaten (Spaghetti, Eier, Parmesan, Nudelkochwasser und schwarzer Pfeffer) zubereiteten Spaghetti alla carbonara. Ein paar Würfelchen Speck habe ich leicht in einer Pfanne ausgelassen, später gibt es noch etwas puren Lardo dazu. Außer im Nudelwasser ist kein weiteres Salz im Gericht.
Die Basics Parmigiano Reggiano, Eier, Mehl, Hartweizengrieß und Petersilie sind eigentlich stets vorrätig. Da ich frische Erbsen gekauft hatte, gibts es jetzt auch für diese zusammen mit dem schon ans Herz gewachsenen Stück Speck eine Verwendung: Mezzelune mit Erbsencreme gefüllt. Ich gebe zu, von Gerhard Wieser, dem Zweisternekoch aus der südtiroler Trenkerstube und erfolgreichem Kochbuchautor, inspiriert worden zu sein. Beim Chef’s Table von Nils Henkel war das Gespräch mit ihm war sehr interessant und -natürlich das links im Bild- sein Gericht Tortellini mit südtiroler Speck, Erbsen und Sahne ausgesprochen gelungen
Bei aller Lobhudelei für die Genusshandwerker, möchte ich auch andere Aspekte nicht verschweigen. Bis sonntags 18:00 Uhr muß ich bestellt haben, um am Freitag darauf meine Ware zu erhalten. Das ist manchmal unpraktisch – wenngleich es logistisch wegen der Frischegarantie des Unternehmens (keine TK-Produkte und Vorratshaltung) sinnvoll erscheint. Auch wenn auf der Internetpräsenz des Unternehmens zu lesen ist, daß die Transportverpackung einfach zu entsorgen sei, da leicht zerlegbar und sortenrein zu recyceln, ist das erst einmal Müll. Es sei denn, man findet eine anderweitige Nutzung. Versand quer durch die Republik ist grundsätzlich ökologisch auch ein Problem, in diesem Fall für mich praktisch nicht, da ich mir meine Ware fußläufig am Liefertermin abholen kann. Nach drei Abenden Lardo hat die Commis dann gestreikt.
Für schlechte Zeiten und für den Fall körperlicher Arbeit – im Tiefkühlfach liegt die Notreserve!
Jetzt also auch Du 😉
Sieht aber verdammt lecker aus, ich hätte genauso reagiert.
Kleiner sachdienlicher Hinweis: Bestellschluss ist sonntags erst um Mitternacht, bleibt also genug Zeit nach dem Tatort 😉