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Fleher Hof, Düsseldorf

Außenansicht Fleher Hof

Die Welt besteht nicht nur aus Spitzengastronomie. Gelegentlich denke ich, wie wunderbar es wäre, jeden Tag zu den Sternen zu streben, doch dann fällt es mir wie Sternenstaub von den Augen: Das möchte ich nicht. Was also tun, wenn die heimische Küche kalt bleibt. Es giert der Appetit nicht nach asiatischer, italienischer Küche, die Hände wollen keinen Burger zum Mund führen – und ein hippes, crossover, casual fine dining–Konzept ist keine Lösung: Komm, geh weg! Rustikal, regional, ehrlich und, jaja, lecker, das wär’s!

Zuviel Geschwafel? Zum Eigentlichen über den Fleher Hof herunterscrollen

Dann verliert die gastronomische Alltagswelt urplötzlich an Farbe. Viele Grautöne. So manches Mal sehe ich schwarz. Kladdenartige, abgegriffe Speisekarten, deren kleine Zahlen verräterisch die Lustlosigkeit und mangelnde Inspiration der Betreiber und Küche in einem einzigen “Convenience!” hinausposaunen. Prolepsis, Prolepsis: Der Gast möchte möglichst zügig große Portionen zu kleinen Preisen. Dabei soll, will und muss der Wirt noch Geld verdienen. Und die Miete und die Pacht. Der Personalmangel. Ein Dilemma.

Umso größer die Freude, wenn im Grau des Düsseldorfer Zooviertels – ausgenommen das Tafelspitz 1876 – im Hinterkopf eine Stimme raunt: Flehe, Flehe, Flehe! Das ist kein falscher imperativ, der zur Flucht aufruft; das ist ein Stadtteil, den ich als nunmehr halber Düsseldorfer seltenst aufsuche. Ich muss an den Opa denken. Unsere Gespräche begann er mit einem “Was macht Düsseldorf? Gibt’s die Schumacher Brauerei noch?” Der meiner Antwort “Ja, gehe ich manchmal auf der Oststraße hin.” folgende Monolog über 70 Jahre zurückliegende, kaum zu vergessene Ereignisse wurde zumeist mit “Da war ich früher öfter. Als ich in Flehe lag.” eingeleitet.

Als ich in Flehe lag… Der kleine Stadtteil Flehe liegt hübsch am Rhein. Dörflich sieht es aus. Eine interessante Sichtachse tut sich auf, der Blick reicht bis zum – man muss es so nennen – Wahrzeichen, dem Rheinturm. Eine Kopfdrehung um 180 Grad macht das Dilemma Flehes klar. Der Blick fällt auf den die Schrägseile haltenden Stahlbetonpylon der imposanten Fleher Brücke. Was Brückenbauaficionados begeistern mag, ist für die Anwohner eine Plage. Die über die Konstruktion verlaufende Autobahn A46 verbindet vielfrequentiert den Rhein überquerend Düsseldorf und Neuss.

Düsseldorfer Senfsuppe: Kartoffel-Lauchcrèmesuppe mit ABB-Senf und Mettwurststrudel

Fleher Hof: Hier geht’s los!

Und dennoch ist seit Mitte Mai dieses Jahres Flehe ein guter Fluchtpunkt. Landgast haben die jungen Betreiber dem Namen der traditionsreichen Gaststätte Fleher Hof hinzugefügt. Melanie Lorbach und Dennis Schürmann heißen die Verwegenen. Beide haben Gastronomieerfahrung. Warum wir den aufgrund der sommerlichen Ferienzeit nicht lange anhaltenden Feinstaubausstoß während der Stadtdurchquerung auf uns nahmen? Während sie mit Kompetenz in Sachen Service und Wein an der Front steht, steht in der Küche ein waschechter Bilker, also knapp vorbei an Flehe geborener Düsseldorf, der zuletzt Souschef von Holger Berens war. Das sind sie also wieder, die Verbandelungen mit der Spitzengastronomie. Zuvor lernte er im Breidenbacher Hof.

Dass es mit Schlüssel ein ordentliches Hausbrauerei-Altbier gibt, erfreut, überrascht noch nicht. Für wahre Freude sorgt die Speisekarte. Die ist übersichtlich, damit beginnt es. Ausnahmsweise ist die Hübsche zudem zitierfähig: “Wir kochen rheinisch, bodenständig, mit der Finesse der französischen Brasserien, zubereitet mit dem Wissen und den Techniken der modernen Küche.”

Kindergericht
aus der Kinderkarte: Hausgemachte Fischstäbchen aus Seelachsfilet mit Kartoffelstampf
Eifeler Ur-Lamm
Schulter vom Eifeler Ur-Lamm mit Pfifferlingen, Kirschtomaten und Kartoffelkrapfen

Klingt gut. Ein kühnes Postulat? Nein. Coq au Vin und ein Rheinischer Sauerbraten stehen sich gegenüber. Der ist von der Ochsenbacke! Vom Kalb stammt wie es sich für das Original gehört das Wiener Schnitzel. Die Düsseldorfer Senfsuppe könnte man auch Vichyssoise mit Tritt in den Hintern nennen. Mit dem besten der hiesigen Senfsorten und Brunoise von Mettwurst in knusprigem Wan Tan-Teig kommt sie ideal zwischen warm und heiß auf den Tisch im netten Außenbereich.

Nach Innen verirrte ich mich, um das tischflüchtig gewordene Kind knapp vor der Küche wieder einzufangen. Der erste Eindruck: dunkel-kneipig. Der zweite Blick offenbart die stilsichere Modernisierung unter Beibehaltung des Gasthauscharmes. Die Kleine soll nach Verputzen des Brotkorbs doch zumindest von ihren später nach Lebensjahren in Rechnung gestellten Kinderteller mit Besseresser-Iglo-Imitaten kosten. Da überlege ich doch glatt, beim nächsten Mal…okay, ergibt bei meinem Alter keinen Sinn.

Der kleine Hunger kann mit einem Elsässer Wurstsalat befriedigt werden. Die gebratene Blutwurst mit Himmel & Äad gibt’s auch als kleine Portion. Und wer die Grenze zur Spitzengastronomie ausloten mag, bestellt das sehr gute Lamm aus der Tageskarte. Das zarte Fleisch, aus Zucht in der Eifel, mit schönem Fettanteil und knusprigem Außen serviert Schürmann mit einer klar definierten Sauce, die Rustikalität nur andeutet.

Und das ist sinnbildlich für diesen Landgasthof mit einer Küche, die man sich nicht nur in Düsseldorf öfter wünscht: kleine Karte, lokal, rustikal und dabei fein – und mit Können hausgemacht. Die Preise sind überdies noch schwer in Ordnung.

Wiener Schnitzel
Wiener Schnitzel: In Butterschmalz gebratenes Kalbschnitzel mit Kartoffel-Gurkensalat, und Preiselbeeren
Colasorbet mit Havanna Rum 7 Jahre
Schoko-Dessert
Schokolade: Schokoladenriegel, Aprikose und Karamell-Schokoladeneis

Dieses Können zeigt sich dann abschließend noch einmal beim Schokoladen-Dessert. Schürmann hat als Pâtissier gearbeitet. Sein handwerklich und geschmacklich überzeugendes Dessert könnte ohne weiteres in einem hochbewerteten Haus aus der Pâtisserie stammen.

Bei dem originellen, augenzwinkernden Mini-Dessert Rum-Cola stellt sich nur kurz die Frage: Erfrischung oder schon Digestif? Eher ersteres: Denn mächtig und grob ist die Küche, abgesehen von minimal rustikalem Salzeinsatz– im Fleher Hof wahrlich nicht.

Also fast 1.000 gute Gründe, öfter mal nach Flehe zu “fliehen”!

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