Appetithappen: Berens am Kai, Düsseldorf
Wie war das noch mal? Rettet das Mittagessen? Ich mag das ja, mittags gut essen zu gehen. Da sind die Geschmacksnerven sowie der Geruchssinn noch viel aufnahmebereiter als am Abend. Auch der Service und ich sind oftmals entspannter. Nicht zu vergessen das Tageslicht, das sich für Fotos viel besser eignet. Und ich werde nicht müde zu betonen, dass ich günstig kalkulierte Lunchangebote gerne als Probe für ein mögliches Abendessen sehe, aber eben nicht als Grundlage für eine abschließende Einschätzung.
Leider haben in Zeiten der stärker kontrollierten Arbeitszeiten – richtig! – viele Spitzenrestaurants ihre Öffnungszeiten eingedampft und dabei als erstes den Mittag – schade! – gestrichen. Kein Wunder, ausgedehnter Business-Lunch im Sternerestaurant ist gerade außer Mode. Es gibt keine Spesenritter mehr.
So ist das Berens am Kai im Düsseldorfer Medienhafen, eine dieser letzten Lunch-Bastionen, an diesem Mittag wenig frequentiert. Gerade zu dieser Zeit punktet das puristisch eingerichtete Restaurant – blanke, graue Betonwände, weiß eingedeckte Tische, schwarze Lederstühle und ein wenig braunes Holz – mit seinen großen Fensterfronten. Der Gast blickt auf die moderne Architektur und Kran-Fragmente des ehemaligen Hafengeländes; dabei ist er von neugierigen Blicken von außen geschützt. Die großzügige Stellung der Tische bietet Privatsphäre. Ich finde das lässig hier.
Nun bin ich zwar (!) kein Komplettist, aber (!) mit dem Besuch im Berens am Kai vervollständige ich meine Besuchsliste aller Düsseldorfer Restaurants, die mit einem (Agata’s, Tafelspitz 1876, Nagaya, Victorian, Enzo im Schiffchen) oder mit zwei Sternen (Im Schiffchen) im Guide Michelin ausgezeichnet sind. Beim Berens am Kai war ich aufgrund der teils vernichtenden Kommentare im Internet auf diesen unsäglichen Bewertungsportalen ein wenig skeptisch. Dabei gibt es das Restaurant von Holger Berens, der unter anderem bei Günter Scherrer im Victorian und bei Jean-Claude Bourgueil Im Schiffchen durch eine gewiss harte Schule ging, bereits seit 1998. Zudem weiß ich, dass oft weinaffine Gäste das Restaurant und auch den Küchenchef okkupieren. Aber kommen wir zum Geschäftlichen, dem Business-Lunch…
Der Auftakt aus Apéro, ein Algenchip mit Aalcrème, und dem Amuse-Gueule, Makrele mit Artischocken-Aioli und Safran-Anis-Sud, fällt schon einmal vielversprechend aus. Das kleine Knusper schmeckt imaginär zum – diese Erkenntnis kommt zu spät – nicht georderten Schaumwein. Ist ja schließlich helllichter Tag! Der Fettfisch ist topfrisch und verträgt sich gut mit der angedeuteten mediterranen Substanz, einzig die Chili-Fäden sind ein wenig zu störrisch.
Auch beim Menüauftakt bleibt es bei der Vorspeise mit Loup de Mer, Pulpo und “Caprese” mediterran und süffig-leicht. Der Fisch hat kräftige Röstnoten vom Anbraten auf der Haut, ist dabei aber noch saftig geblieben. Die Krake ist äußerst zart und aromatisch, dabei überrascht besonders der oftmals verschmähte Teil vom Körpersack positiv. Zu dieser Deftigkeit paßt die cremige (Kugel), fruchtige (Tomatensockel) “Caprese”-Einfassung – ich akzeptiere dabei die etwas glibberige Verwendung von Texturgebern, da hier form follows function im Vordergrund steht. Dazu ein säuerlich-öliger Sud mit ein paar Elementen Kapern, wie ihn sonst nur Joannis Malathounis hinbekommt. Schön.
Das Hauptgericht trägt seinen Namen zurecht. Auf dem Hauptteller serviert Holger Berens die Brust vom Perlhuhn mit grünem Spargel, Artischocke und Perlzwiebel und auf einem weiteren Teller befindet sich das Fleisch der Perlhuhn-Keule mit Asia-Salat und geräuchertem Kartoffelschaum. Das Federvieh schmeckt mit seiner knusprigen, intensiven Haut und dem butterzarten Fleisch prächtig; gerade à part geht es aromatisch originell zu. Ein wenig problematisch sind der Spargel und die Artischocke: Sie sind ein wenig zu weich, was beim Spargel keine größeren Auswirkungen auf den Geschmack hat, den Korbblütler allerdings sehr fad wirken läßt. Bis auf diese Ungenauigkeit aber ausgesprochen süffig-köstlich.
Die Commis hat mehr Phantasie als ich und erkennt, als ich ihr die Fotos meines mittäglichen Müßiggangs zeige, ein Huhn bei Schokolade, Bananeneins und Tomate – Wer noch? Vielleicht würde das auch erklären, dass die gute, dunkle Schokoladen-Mousse von einer dicken Gelatine(?)-Schicht in Form gehalten wird. Dass Schokolade und Banane – zur Zeit bei Desserts sehr beliebt – gut zusammengehen, weiß jedes Kind nach seinem ersten Bananensplit in der Eisdiele. Das schmeckt hier natürlich deutlich besser, zumal mit dem beinahe kandierten Fruchtgemüse eine Abweichung von der Norm auf dem Teller liegt. Gemüse im Dessert? Passen Sie auf, Herr Berens, nicht, dass dieser eine Restaurantführer wieder rumätzt und statt 15 Punkten wieder die 14 hervorstümpert.
Der Vollständigkeit halber noch die Petits fours, bei denen die Gelee-Würfel am besten schmecken, was bei mir als Schokoladen-Verfechter was heißt.
Kurzum, Qualifikation für den Abend geschafft. Das war schon gut und mit 58 Euro inklusive zwei großzügig eingeschenkten 0,1 l-Gläsern Wein ein durchaus fairer Deal. Mir hat besonders der mediterrane Einschlag gut gefallen, der in keiner Weise mit übertriebener Aromatisierung und Überwürzung gleichzusetzen ist, und immer noch das Produkt in den Vordergrund stellt.
Die Weinkarte ist hier unbestritten ein vollbeladenes Highlight und bietet auch einige Schnäppchen. Wenn man saving by spending im dreistelligen Segment betreiben mag.