Fassnacht City
Jahrelang dachte ich, Basel müsse die hässlichste Stadt der Schweiz sein. Kaum hatten wir auf dem Weg nach Graubünden die Grenze passiert, empfing uns die Stadt im Dreiländereck jedesmal mit Stufen von Grau. In Beton gegossene Albträume bäumten sich vor unseren Blicken aus dem Auto heraus auf, furchtbar triste Autobahnen, Tunnelschlunde und Brückenbauten, gesäumt von Klötzen der Pharma- und Chemieindustrie. Der eh schon trübe Himmel ward gesprenkelt von aus Schloten quellendem Rauch. Macht diese Luft krank oder dient sie schon wieder der Gesundheitsprophylaxe?Was muss das für eine Stadt sein, an der man nicht schnell genug mit maximal 120 Stundenkilometern vorbeischleichen darf? Nun, wer nicht wagt, der es nie erfährt. Also steige ich Ende Januar in Basel SBB aus dem ICE. Und siehe da, welch’ schöner, aufgeräumter Bahnhof, modern und dabei mit historischer Schalterhalle ansprechend auf den ermatteten Reisenden wirkend. Es riecht nicht nach verpesteter Luft, noch nicht einmal übermäßig nach Bahnhof – mit der Nase habe ich eher die Spur der Schinken Gipfel von Sprüngli aufgenommen. Sogar die Bahnhofsgegend ist hier geordnet, sehe ich einmal von den vielen Trams, wie die Straßenbahnen bei den Eidgenossen heißen, ab, die am Bahnhofsvorplatz kreuz und quer zu fahren scheinen. Doch sicheren Fußes komme ich am zentral gelegenen, ansprechenden Hotel Radisson Blue an.
Sofort heißt es: Raus aus dem Hotel, rein in die Stadt – und siehe da, schäbiges Äußeres, feiner Kern. Hügelig die Gassen der Altstadt, ein schöner Marktplatz und Leben auf den Einkaufsstraßen. Mit seinen fast 175.000 Einwohnern ist Basel nach Zürich (muss ich mal wieder hin) und Genf (möchte ich überhaupt mal hin) die drittgrößte Stadt der Schweiz. Es pulsiert, das aber im übersichtlichen Rahmen. Für ein erstes Kennenlernen mit Basel reicht vermutlich ein (verlängertes) Wochenende.Was kann der Besucher also in Basel anstellen, wenn Shopping aufgrund des starken Frankens keine Option ist. Ich würde sagen, Kunst und Kultur, und dazu gehört auch Ess-Kultur. Basel hat sich zu einem kulinarischem Ziel gemausert; nicht zuletzt mit dem jüngst mit drei Michelinsternen ausgezeichneten Koch des Jahres der Schweiz Peter Knogl im Restaurant Cheval Blanc im Hotel Les Trois Rois. Aber ich möchte zu Tanja Grandits ins Stucki, das sich über der Stadt im gediegenen Bruderholz befindet. Ich mag die Kochbücher Gewürze und Kräuter der gebürtigen Schwäbin; gerade aus ersterem habe ich schon einiges nachgekocht oder mich inspirieren lassen. Jedes mal war an Stef’s Table das Erstaunen riesig, meine Küche schmeckte auf einmal völlig anders und hatte einen femininen Hauch. Und die hohen Erwartungen wurden beim Besuch nicht enttäuscht, zwölf monochrome Träumen, pardon Gänge, zeigten Geschmack, Handschrift und – nunja- eben diese speziell weibliche Note.Aber Basel kann auch deftig. Und für das Erlebnis muss ich noch nicht einmal beim zuletzt erfolgreichsten Fußballclub des Landes, dem FC Basel, ins Stadion. Das geht auch mit der Kalbsbratwurst für 6,50 Franken auf dem Marktplatz auf die Faust oder Suuri Rindsläberli mit Rösti in der rustikalen Fischerstube im Herzen der Kleinbasler Altstadt in Wurfdistanz vom Rheinufer. Dazu gibt es vor Ort gebrautes kühles und süffiges Ueli Bier frisch ab Fass. So gerät die irgendwann drohende Abreise fast ins Vergessen.Ob ich durch die vielen Gassen flaniere oder mal rechts und links einfach mal draufloslaufe: Basel hat viel Kunst und Kultur zu bieten. Sei es Street Art mit ansprechenden Graffiti oder Kunstläden oder Antiquariate. Da passt es, dass mit der Art Basel eine der wichtigsten Messen für zeitgenössische Kunst in der Stadt beheimatet ist. Und gäbe es am Abend keine Tischreservierung, hätte ich das Konzert von Jazz-Star Wynton Marsalis besucht.
Nicht nur die Kochkunst lasse ich an mich heran, ich laufe am Rhein entlang zum Museum Tinguely. Das ist mal Kunst mit Action und Geräusch. Die wundersamen Werke des Schrottbastlers bewegen sich und machen dabei teilweise einen Höllenlärm. Kein Wunder, dass da einige Familien mit Kindern durch die Ausstellung schleichen. Die Kinder gucken mit großen Augen und werden zu Mutters Segen für ein paar Minuten übertönt.
Danach darf es für mich ein wenig reeller werden und ich fahre mit dem Bus kurz hinter die Grenze nach Weil am Rhein ins Vitra Design Museum. Ein bißchen Möbel gucken, die größtenteils mittlerweile Designklassiker sind, durch die temporäre Bauhaus-Ausstellung bummeln – die Zeit verrinnt wieder schneller als erwünscht. Zeit brauche ich nämlich noch für einen kulinarischen Ausflug! Aufgrund der Grenzlage Basels bietet sich ein fixer Trip nach Frankreich ins Elsass an. Und nur 38 Km entfernt – gut, wegen der schmalen Landstraßen dauert die Fahrt dann doch fast 60 Minuten – liegt das Käseparadies der Fromagerie Antony. Nicht, dass die Schweiz keine tollen Käse zu bieten hat, aber dort in Vieux-Ferette wird die Meisterschaft im Affinieren entschieden. Vater Bernard und Sohn Jean-François suchen beste Käse von ausgewählten Lieferanten aus, lassen sie in ihren magischen Kellern reifen und verkaufen sie zum optimalen Reifezeitpunkt. Klar, dass ich mir da die Taschen vollgemacht habe!
Leider vergeht so ein verlängertes Wochenende viel zu zügig. Da wären noch so viele Restaurants, Museen und verwinkelte Ecken zum Entdecken, ganz zu schweigen von den Möglichkeiten im Umkreis. Ich hoffe, ich kann im Mai zum Finale der UEFA Europa League erneut nach Basel reisen – wenn Bayer 04 das Finale im St. Jakob-Park bestreitet…
Basel ist eine Stadt zwischen Historie und Moderne, voll innerer Schönheit und dabei nicht so mondän wie Zürich und: Basel ist Fassnacht City!