Restaurants

Entenstuben, Nürnberg

Die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder errichtete Nürnberger Altstadt geht hier längst in ruhigere Wohngebiete über. Der berühmte Christkindelsmarkt mit den vielen Touristen liegt schon ein Stück zurück. Von Weitem sind nur noch Kirchtumspitzen als Orientierung zu erkennen. Das Leuchtfeuer, mit dem sich dem hungrigen Wanderer ein Hort der Gastlichkeit ankündigt, könnte man nicht nur im Ruhrgebiet für eine lokale Eckkneipe halten. Sogar der Zigarettenautomat links des Eingangs der Entenstuben passt da ins Bild. Seit Anfang Dezember leuchtet es in Nürnberg noch ein klein wenig heller. Neben dem zweifach besternten Essigbrätlein erhielten das ZweiSinn, das unweit in Heroldsberg gelegene SoSein und die im Stadtteil Wöhrd beheimateten Entenstuben einen Stern.
Vor zwei Jahren übernahm Fabian Denninger, der zuvor Küchenchef im “Koch & Kellner” in Nürnberg war, das alteingesessene Restaurant. Das aufgefrischte Ambiente wirkt im wahrsten Sinne gut bürgerlich, etwas gediegen, aber nicht muffig. Auch die Gäste im vollbesetzten Restaurant sind gesetzteren Alter. Das überrascht ein wenig bei einem mit Mitte Dreißig noch immer jungem Inhaber und Küchenchef. Und passt dann doch wieder: Fabian Denninger hat nach seiner Ausbildung in einigen von klassischer Küche geprägten Häusern im In- und Ausland gekocht. Dazu gehörten Thomas Kellermanns “Kastell” auf Burg Wemberg und das Waldhotel Sonnora von Helmut Thieltges.Es ist Vorweihnachtszeit und der Laden nicht nur wegen des Sterns sehr gut besucht, so gibt es entgegen der sonstigen Gepflogenheiten ausschließlich ein fünfgängiges Menü. Dieses startet mit einem Maissüppchen mit Entenfleisch und Rosenkohl. Die erste Kontaktaufnahme schmeckt unauffällig. Dann gesellt sich eine leichte Schärfe zur süßlichen Sahnigkeit und der Maisgeschmack entwickelt sich. Die Würfel Schmorfleisch geben dem Ganzen Substanz, während ein Stück Rosenkohl herb und knackig gegensteuert.

Ein Stück geräucherte Forelle mit Avocado, Radicchio und Orange folgt. Das Probieren der Einzelteile bringt keinerlei Erkenntnis: Alles schmeckt so wie man es erwartet und beinah banal. Einzig das angegrillte Lorbeergewächs schmeckt wie mit Entenfett aromatisiert und dabei äußerst interessant. Doch der erste Eindruck täuscht und der Gast sollte nicht innehalten, sondern einen aus allen Komponenten zusammengestellten Löffel probieren. Und siehe da: In der Vermischung passieren spannende Dinge. Zur Grundierung der saftigen, eher mild geräucherten Forelle gesellen sich nacheinander das nussige Fett der Avocado mit ihren Grillnoten, der herbe Radicchio und die bittersüße Frucht der Orange. Ein sich sehr schön entwickelndes Gericht.

Als erster Menügang folgt Wildsaibling mit Blutwurst, Fenchel und Hagebutte. Der Fisch ist auf der Haut gebraten und hinterlässt keinen spektakulären Eindruck. Neben Röstnoten hat er vielleicht ein wenig zuviel Hitze abbekommen. Das wirkt gutbürgerlich rustikal; der Fisch dürfte ein wenig saftiger im Kern sein. Das Deftige passt zur angenehm zurückhaltend gewürzten, zerkrümelten Blutwurst, die geradeso unterschwellig für einen Würzeffekt sorgt. Der Fenchel findet sich gegart und mit Safran aromatisiert sowie als Püree und als feine, marinierte Streifen, die in diesem Kontext aus Fisch und Blutwurst an Sauerkraut denken lassen, auf dem Teller. Erstaunlicherweise funktioniert diese Kombination wieder am besten als Gesamteindruck. Denn zusammen mit etwas von den dezenten Tupfern Hagebuttenmark und vom Wildkräutersalat kommt über die Säure und grün-herbe Akzenkte Spannung ins Spiel.Diese Spannung geht dem gebratenen Adlerfisch mit Karotte, Pak choi und Safran leider ab. Erneut kommen beim Fisch Röstnoten ins Spiel. Der Adlerfisch kommt damit  besser zurecht und ist deutlich saftiger . Wo beim zweiten Amuse und beim ersten Gang Säure, Frucht und Bittere für Aufhorchen sorgten, geht es hier zu gefällig zu. Das schmeckt nicht schlecht, ist aber einfach zu erwartbar. Gegen das süßlich Breiige der Möhre kann auch der asiatische Kohl mit seinem von Natur aus zurückhaltendem Geschmack und mittlerer Knackigkeit nicht gegenarbeiten. Der mit Safran aromatisierten Sauce fehlt die Schlagkraft, um das Ruder im letzten Moment doch noch herumzureißen.
Ein Intermezzo aus einem Himbeersorbet mit Rosa-Pfeffer-Crème und Schokoladencrumble folgt. Zwar geht es nicht besonders süß und dabei köstlich zu, doch wäre der Gang besser als Pré-Dessert verortet.

Nach dem etwas blassem Adlerfisch-Gang sieht es beim confierten Schweinebauch mit Mandarine, Erbse und Austernpilz wieder anders aus. Dass lange und langsam gegarter Bauch mit finalem krossen Anbraten der Haut eine wahre Delikatesse ist, stellt keine Neuigkeit dar. Daher sind die Begleiter dazu viel spannender. Der texturellen und süßlichen Gefälligkeit eines für sich genommen nicht besonders aufregenden Erbsenpürees wirken neben einigen knackigen Hülsenfrucht-Exemplaren Erbsensprossen und die Fruchtsäure der Mandarine entgegen. Eine Zimt-Jus, die konzentrierter sein könnte, aber nicht unbedingt muss, passt ganz wunderbar dazu. Zum Wohlfühlen geeignet.
Als finalen herzhaften Gang serviert der junge, engagierte Service Rücken vom Salzwiesenlamm mit Tonkabohne, Ziegenkäse und Aubergine. Da sich dazu auch noch Prinzessbohnen und Ofentomaten gesellen, wirkt die Zusammenstellung wild und ist wenig saisonal. An der Saisonalität lässt sich wenig wegdiskutieren, ist aber ein grundsätzlich anderes Thema, das nicht nur die Entenstuben betrifft. Dafür, dass dieses Gericht dennoch aufgeht, zeichnet sich die „olle“ Tonkabohne verantwortlich. In der Kartoffelmousseline versteckt sorgt sie für Komponenten übergreifende Einfassung und bringt neues Licht ins Gewohnte.

Ein durch und durch befriedigendes und stimmiges Dessert ist der Kardamomtopfen mit Apfel, Pomelo und Karamell. Es geht mit marinierten Apfel, einer fragiler Millefeuille um den aromatisierten Quark und dem eher mächtigeren Karamell überraschend leichtfüßig zu. Der Fokus liegt eher auf Säure und Frucht mit ein wenig Substanz – eine Verschiebung für die sich die Zitrusfrucht stark macht. Äußerst gelungen.

Für alles gibt es ein erstes Mal und so auch für auf einem Glasbaustein servierte Petits Fours.

In besonders positiver Erinnerung bleiben die spannenden Geschmackspaarungen, mit denen Fabian Denninger in den Entenstuben punktet. Besonders bei der geräucherten Forelle, dem Wildsaibling und dem Lamm zeigte sich ein gutes Händchen, aus scheinbar normalen und auf den ersten Blick und sogar Biss unzusammenhängenden Zutaten ein überzeugendes Gesamtbild zu kreieren. Irritierender bei dieser Momentaufnahme wirkt hingegen der etwas derbe Umgang mit Fisch. Zweimal nacheinander wurde der Fisch gebraten und steht damit in einer Reihe mit den bei den Fleischgängen ebenfalls vorhandenen Röstnöten. Das ist der Spannungskurve eines Menüs abträglich. Gerade dem Wildsaibling hätten eine etwas sanftere Garmethode und mehr Präzision ohnehin gut getan.

Denninger hat nicht nur durch seine hervorragende Erfahrung auf jeden Fall das Zeug dazu, noch mutiger aufzukochen und dem Gast dabei mehr zuzumuten. Dazu gehört auch, der Saison beim Gemüse mehr Beachtung zu schenken. Während auf der Website der Entenstuben andere Gerichte beim Lesen einen ambitionierteren Eindruck machen, ging zumindest dieses vorweihnachtliche Menü zu sehr auf Nummer sicher. Gut gelang die Weinbegleitung und auch die Weinkarte ist ordentlich bestückt und fair kalkuliert.

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