Restaurants

Esplanade, Saarbrücken

Restaurant Esplanade Saarbrücken: AußenansichtDer Weg zum Restaurant führt an einem Bordell im Eckhaus vorbei. Mädchen stehen draußen, lehnen sich aus den Fenstern und rauchen. Sie haben osteuropäischen Akzent. Dann fällt von weitem das Gründerzeithaus im Nauwieser Viertel ins Auge. Hier ist seit zwei Jahren das Restaurant Esplanade beheimatet. Auf dem kleinen Platz nebenan räumen die Marktbeschicker am Ende des Tages die letzten Bio-Produkte ein. Ein buntes Viertel, steht wahrscheinlich kurz vor der Gentrifizierung. Und zumindest hat Saarbrücken – das erschließt sich dem flüchtigen Besucher erst auf den zweiten Blick – wenn nicht augenscheinlich schöne, dann zumindest interessante Ecken. Denn die Peripherie der Stadt wirkt mit Industriegebieten wenig einladend und selbst in der Stadt schlängelt sich eine Autobahn an der die Stadt durchschneidenden Saar entlang.

Doch ein gutes Stück vom Stadtzentrum entfernt, liegt eine anderer Lichtblick. Eines der Highlights Saarbrückens, des Saarlandes: Das Gästehaus Klaus Erfort. In einer prächtigen Villa mit Blick in den Park. So zumindest zumindest die räumliche Umstellung für den 30-jährigen neuen Küchenchef im Esplanade moderat sein. Denn Silio del Fabro kommt mit der Empfehlung als Klaus Erforts Souschef und Stationen bei Helmut Thieltges und Heinz Winkler zu seiner ersten Position als Küchenchef.

Restaurant Esplanade Saarbrücken: InterieurEin Ereignis, so scheint es, das das offenbar ambitionierte Haus, zum Start im November in Pop-Star-Manier überlebensgroß wie auf Konzertplakaten bewirbt. Und doch geht es einfach ohne Tamtam los. Ohne die gefühlt obligatorische Pré-Opening-Phase und Vorschusslorbeeren-Presse-Rummel. Einen Stern, so liest man, strebe das Restaurant an. Michael Zimmer ist nicht nur Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, sondern auch des Kommunikationsunternehmens “m&r Kreativ” mit illustrer Kundenliste. Im Sommer endete das Engagement von Jens Jakob im Esplanade, der einst im “Le Noir” für Furore sorgte. Was liegt da näher als einen guten Mann aus der zweiten Reihe der Spitzengastronomie, der zuletzt noch am Finale beim “Koch des Jahres 2017” teilnahm, an den Herd zu holen. Ein engagierter und ehrgeiziger Koch also, den neben herrschaftlichem Ambiente, gewissem finanziellem Potential sicherlich auch die Marschrichtung zu höheren Weihen lockte.

Restaurant Esplanade Saarbrücken: Amuse Gueules Beim Interieur sieht es ein wenig verwirrend aus. Papierplatzsets deuten eher auf eine Steakhouse-Kette hin, das Lichtkonzept paßt vielleicht ins Viertel, nicht jedoch in den wunderbaren Rahmen des stilvollen Hauses. Die Weinkarte ging durch viele Hände. Dinge, die sich einspielen können und gewiss werden. Die Abendkarte hingegen ist am ersten Tag von Silio del Fabro druckfrisch. Noch besser: sie ist klar strukturiert. Die drei Vorspeisen heißen Entrée, die Handvoll Hauptgerichte Plat, dazu noch zwei À la carte-Desserts. Die Gerichte des Menu Découverte können einzeln bestellt werden. Fünf Gänge kosten 79 Euro, vier Gänge 64 Euro und drei Gänge 55 Euro. Der Hinweis auf die Preise ist an dieser Stelle ausnahmsweise wichtig. Denn 18 bis 42 Euro (Bretonischer Hummer) bei den Vorspeisen und Hauptspeisen zwischen 24 und  51 Euro (Étouffée Taube) oder 82 Euro für den “Somafer Lammrücken für Zwei” sind für eine Quasi-Neueröffnung eine Ansage. Das Preisgefüge könnte bei manch unbeflissenem Gast für Irritationen sorgen. Doch die Portionsgrößen bei den à la carte-Gerichten sind groß. Von den hochwertigen Produkten ist reichlich auf dem Teller. Schließlich ist das Produkt der Star, denn SIlio del Fabro kocht eine Produktküche, die auf einer modernisierten französischen Klassik basiert. Da spürt man die kulinarische Herkunft des gebürtigen Saarländers.

Nur einen kleinen – dazu später mehr – Aufschluss gibt die Amuse-Gueules-Trilogie. Die Vichysoisse mit Ochsenschwanzgelée, Räucheraal und Crème fraiche ist ordentlich. Mild und elegant, das trifft auch auf den Reiscracker mit Steinpilzcème zu. Das Zitronen-Baisser mit Thunfisch ist zu süß und klebrig.
Restaurant Esplanade Saarbrücken: Menu Découverte Kalbstatar

Kalbsfilettatar, Crème fraîche, Perlzwiebel, Kapern stammt als Gang aus dem Menü. Wie beim Gruß aus der Küche fällt eine bedacht subtile Würzung auf. Der Eigengeschmack hat Raum sich zu entfalten, was bei dem milden Fleisch natürlich sinnvoll ist. Der Start ist handwerklich und geschmacklich wunderbar: Das Tatar wurde fein mit Zwiebeln und Kräutern abgeschmeckt und in einen Capaccio-Mantel eingehüllt, Die gebackenen Kapern sorgen für interessante, dosierbare Salzigkeit. Ein Hauch von Zitrus liegt über dem Teller. Während die leicht angeröstete, gepickelte Zwiebel etwas knackige Frische und Pikanterie addiert sorgt Crème fraîche für geschmeidiges Mundgefühl. Subtil rösche Textur ergänzen Brotchips. Die unbestritten köstliche Brioche bräuchte es nicht unbedingt.

Restaurant Esplanade Saarbrücken: Hummer Entrée

Wie angedeutet, wird beim Produkt nicht gegeizt, so auch nicht bei Bretonischer Hummer, Bisque, Karotte, Estragon. Der Hummer ist umsichtig gegart, die Balance zwischen saftig, zart und bissfest perfekt. Sanft fasst del Fabro das Produkt ein. Die Krustentier-Essenz ist gefühlvoll abgeschmeckt. Sie ist prägnant, überdeckt mit ihrer Aromatisierung nicht das per se dezente Fleisch aus Schwanz und Schere. Darunter liegt ein wenig Julienne von Wurzelgemüse. Weniger des süßlichen Geschmacks der aufgeführten Karotte wegen, sondern als fein knackiges Kaumaterial. 42 Euro, die sehr gut angelegt sind. Hierher könnte der einstige Saarland-Zampano Oskar seine Hummerfreundin am Hochzeitstag ausführen.

Restaurant Esplanade Saarbrücken: Plat Taube

Kurz zeigte der Service die im Ganzen exakt gegarte Taube, deren ausgelöste Brüste wenig später bei Étouffée Taube, saisonales Gemüse vom Stadtbauernhof auf dem Teller liegen. Jeweils auf einen geschmacksverstärkendem Scheibchen Foie gras und hervorragendem Gemüse, erstmals begleites von einer Sauce mit Intensität, für die man reichlich Karkassen und Abschnitte benötigt. Beim flankierenden Selleriepüree kaschieren dessen typisches Aroma Sahne und Butter etwas zu sehr. Taube, so scheint es, liegt nicht mehr nur in der Spitzengastronomie im Trend, sondern erfreut sich auch immer mehr Beliebtheit in der Breite und bei Hobbyköchen. Die wollen vielleicht gar nicht wissen, warum die Bluttaube so zart und blutig rosa ist. Weil sie nicht geschlachtet, sondern durch Ersticken – étoufée heißt übersetzt erstickt – getötet wird und das Blut im Körper verbleibt. Diese Tauben stammten aus dem benachbarten Frankreich, wo diese Methode nicht verboten ist, im Esplanade wahrscheinlich vom Züchter Miéral. Das Gemüse hingegen gelangt per Lastenfahrrad von einem nachahmenswerten Projekt aus Saarbrücken ins Esplanade. Der Verein Stadtbauernhof Saarbrücken betreibt einen Bauernhof im Almet, einem Saarbrücker Naturschutzgebiet. Kurze Wege, die man meint, bei Geschmack und Knackigkeit zu spüren. Sehr guter Hauptgang.

Restaurant Esplanade Saarbrücken: Dessert Relativ selten gibt es Soufflés. Vielleicht erscheint dieser süße Klassiker mancher Pâtisserie zu banal. Dabei ist die Zubereitung aufwendig und insbesondere diffizil die Überwachung und das Ergebnis nicht immer gelingsicher. Mutig wer dann noch das Soufflé stürzt. Im Esplanade schmeckt Quark-Soufflé, Bitterorange, Birne wunderbar. Fluffig, leicht zitronig säuerlich, extrem passend dazu das herbe Sorbet. Eine Minute länger hätte es im Ofen verbleiben dürfen, denn im unternen Drittel ist es nicht ganz “durch”. Der Service nickt, man habe ein zweites zu Versuchszwecken mitgeschoben und gleiches festgestellt. Auf der Rechnung steht es später dennoch – kann anders gelöst werden, ist allerdings kein Drama, nur eine kleine Ungenauigkeit am ersten (!) Tag.

Restaurant Esplanade Saarbrücken: Petits Fours

Die ersten Eindrücke aus dem Esplanade zeigen, wo Silio del Fabro kulinarisch herkommt. Natürlich noch nicht, wohin genau die Reise geht. Frei von unnötigen Spielereien fokussiert er sich auf – so viel steht fest – Top-Produkte. Das Ergebnis ist durchgehend genussvoll. An mancher Stelle schmeckt noch viel der vorherigen Station im Gästehaus Erfort durch. Das ist gut, schließlich ist Erfort ein Meister dieser leichten, doch präzisen Produktküche, und verständlich. Ein junger Koch ist das erste Mal verantwortlich für die Küche, dazu präferiert er eine Küchenrichtung, in der das Tradierte nur wenig Manipulations- und Modifikationsspielraum jenseits von Saucen und Würzung bietet. Das widerspräche dem unverfälschten Produktgeschmack. Es ist gut, dass diese, manchmal gefühlt abgeschriebene Stilistik aus sehr gutem Produkt, präzisem Handwerk und tiefem Geschmack ihre Fortschreibung auch in der nächsten Generation findet. Positiv fällt auf, dass del Fabro eine ausgezeichnete Dramaturgie der Intensität beherrscht. Mögen seine Amuse-Gueules zu Beginn mild erscheinen, sind das nicht überbordend gewürzte Tatar, die nicht nicht bis zur Unkenntlichkeit und Banalität aromatisierte und reduzierte Bisque ein Zurückhalten bis zum Intensitätshöhepunkt des Hauptgang, der in einer nicht mehr zu toppenden Tiefe der Sauce kulminiert.

Das ist auch eine Küche, die nach Wein verlangt. Daher darf die Weinkarte von Sommelier Markus Vogelsang ruhig noch wachsen. Fair kalkuliert ist sie auf jeden Fall und eine gute Flasche zum Durchtrinken findet sich auch. Zudem hat er noch wie die offenen Weine zeigen, ein paar Schätzchen in der Hinterhand. Weit laufen muss man in absehbarer Zukunft auch nicht mehr: Im stattlichen Haus werden überm Restaurant 15 Zimmer auf bestem Niveau ausgebaut – wie erwähnt, Ambitionen.

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