Restaurants

Tribeca, Heeze, Niederlande

Tribeca Jan Sobecki AußenansichtDer Weg zu den westlichen Nachbarn in die Niederlande ist aus dem Rheinland nicht weit. So auch nicht zum von Düsseldorf knapp eine Autostunde entfernten Restaurant Tribeca in Heeze, unweit von Eindhoven. Grenznah liegen viele wunderbare Restaurants. Keine Neuigkeit. Ebenfalls nicht, dass die niederländische Gastronomie seit zehn Jahren einen großen Aufschwung erlebt. Nicht nur in den größeren Städten und Metropolen lassen sich spannende Restaurants entdecken. Sergio Herman und Jonnie Boer hatten und haben großen Anteil daran. Während Herman bei geschmacksintensiven, komplexen und doch verständlichen Gerichten Zitrussäure deklinierte und damit ein Element der zeitgenössischen niederländischen Küche prägte, führte Jonnie Boer, erst bei seinen stark französisch geprägten Anfängen die niederländische Produktwelt aus Wald, Weide und See in seine mittlerweile unterhaltsam-komplexen Gerichte ein. Ein weiteren starken Einfluss üben bei vielen Chefs Elemente der Einwandererküche mit Fewürze aus den ehemaligen Kolonie wie Surinam, Indonesien und Zubereitungsmethoden aus.

Mitte 2016 übernahm Jan Sobecki das ehemalige ‘Boreas’ im ruhigen Örtchen in der Provinz Brabant nahe seiner Heimatstadt Helmond. Im ersten Jahr erhielt das Restaurant direkt zwei Sterne im Guide Michelin. Diese Auszeichnung leuchtete auch über Sobeckis Station zuvor, dem  mittlerweile geschlossenen „Chapeau“ in Bloemendal. Vor wenigen Wochen erhielt das Restaurant von der niederländischen Ausgabe des GaultMillau stattliche 19 Punkte und stößt so auf dem Papier in die Speerspitze der dortigen Szene hinein. Vor dem ‘Chapeau’  kochte Sobecki im ‘Ledoyen’ in Paris und dem ‘Craft’ in New York. Zwei Stationen mit Auswirkungen auf seinen Küchenstil. Letztere sicherlich auch Inspiration bei der Namenssuche und der Benneung nach dem angesagten Stadtteil. Urban-moderner Landhausstil, gemütlich, zeitlos und elegant. Ein weniger rockiger an der Theke, die in diesem Jahr eingeweiht wurde.
Mit dem Raum, der zuvor einen Chef’s Table beheimatete, war Sobecki nach eigener Aussage nicht so richtig glücklich und investierte, auch vom sofortigen Erfolg des jungen Restaurants beflügelt, erneut in einen Um- und Ausbau mit separater Küche und einer Theke, die Platz für zwölf Personen bietet. Die Konzeption und die Menüs in beiden Räumen unterscheiden sich ein wenig. Sobecki selbst sagt, er habe zwei Restaurants in einem. Er lacht bei der Frage, welches denn die Führer bewerteten. Hier auf jeden Fall der Bericht von der Theke:Restaurant Tribeca Jan Sobecki KalbsbriesRestaurant Tribeca Aal, Rote Bete Restaurant Tribeca Jan Sobecki TopinamburRestaurant Tribeca Jan SobeckiDen Auftakt machen vier prägnanten Kleinigkeiten, die schnell nacheinander als Aufwärmprogramm serviert werden. Beim ersten knusprig-würzigen Happs, Kalbsbries, Curry und Estragon, setzt sich nach dem ersten Würzeindruck ein saftiger Fleischgeschmack durch. Der geräucherte Aal mit Roter Bete und Apfel ist ebenso wie Topinambur, Apfel, und Kastanie eine eindeutige Kleinigkeit. Appetitanregend, geschmacklich präzise, handwerklich fein und mit der perfekten Dosis animierender Intensität. Der Zylinder von Kürbis mit Schokolade, Leber und Bergamotte gibt als Abschluss mit Süße, herber Leber und der Paarung aus schokoladig-fruchtigen Anklängen einen guten Ausblick auf das Menü.Restaurant Tribeca Jan Sobecki Thunfisch Albacore

Und das Menü startet gleich mit ein Paukenschlag: Albacore, Passionsfrucht, Ibericio, Kakao. Das Tatar in größeren Würfeln, vom Weißen Thunfisch ist mit Passionsfrucht bepinselt. Darauf liegen Elemente von knusprigen Speck, knackige Kakaosplitter und Koriander. Das Besondere bei diesem Auftakt ist, dass es mit der Vinaigrette eher grünlich als fruchtig zugeht. Dafür sorgt auch ein fein dosiertes Öl aus Koriandersamen. Eine Infusion über 48 Stunden bei 42 Grad. Dazu kommen herbe Noten der Schokolade, während Speck salzt und Tiefe beifügt. Das Ergebnis ist erdig, kräutrig-würzig, dabei bleibt es transparent und vor allem spannend ohne den Produktgeschmack zu überdecken. Stark Restaurant Tribeca Jan Sobecki Holstein Tatar

Der nächste Höhepunkt folgt mit Tatar vom Holstein-Rind, Meerrettich, Ziegenkäse sogleich. Das fein geschnittene Fleisch ist in einer Knusperhülle. Ein nicht nur ein optischer Kniff, weil es genau diesen eleganten Hauch Textur bei jedem Bissen braucht. Darauf liegen feinste Bonitoflocken. Der darüber geriebene Ziegenkäse stammt aus der Region. Um das Ganze herum verteilt sich eine Fleischbrühe: kühl, intensiv und samtig wegen der Gelatine. Wieder sorgen ein paar Tropfen Öl, das hier vom Fleisch stammt, für einen zusätzlichen Aromenkick. Das ist Mundgefühl, das ist ein differenzierter Geschmacksverstärker. Klar hat der Gang umami und ist japanisch inspiriert – doch aufgepeppt mit Lokalkolorit. Eine Meerrettichcrème sorgt für Zusammenhalt und Schärfe. Oyster leaves bringen jodig-salzige Akzente mit spürbaren namensgebenden Geschmack nach Auster ins Spiel. Die Austernplanze stammt nicht von Koppert Cress, sondern aus dem eigenen 1-ha-Garten, der zum Restaurant gehört. Das hatte sich auf der Suche nach ein Bißchen Fläche zum Kräuteranbau über Facebook und einen Stammgast so ergeben.Restaurant Tribeca Jan Sobecki JakobsmuschelnAus dem Garten stammt bei Jakobsmuscheln, Fenchel, Gewürze, Kürbis auch der Rosenkohl. Der bildet mit seinen bitter-grünen Noten zusammen mit Scheiben von Radieschen, Bete und Rübchen einen Gegenpol zur Süße des Kürbis. Ohnehin steht nciht die Süße, sondern Intensität im Vordgrund. Die dockt perfekt an die Nussigkeit der saftigen Muscheln an. Dieser Gang hat wiederum eine gewisse Öligkeit, einen Schmelz; dazu gesellt sich hier ein Hauch Zitrus und leichte Gewürzexotik. Die Verbindung klingt bekannt, ist im Tribeca allerdings nicht grundsätzliches Thema.Restaurant Tribeca Jan Sobecki Auster

Einen “lucky shot” nennt Sobecki schmunzelnd den Grund für die geniale Geschmackspaarung aus Gillardeau Auster und Bockshornklee bei Auster, Kohlrabi, Bockshornklee, Ibérico. Vom Aufbau ist dieser Schlotzgang exemplarisch für viele Teller an der Theke im Tribeca: cremig, oftmals aus dem iSi, ölig und crunchy um den Protagonisten herum. Unten in der Schüssel liegen Brunoise von Kohlrabi, es folgt die Auster und darüber knuspriger Speck, getoppt von einem Schaum, der wiederum gröbere Stücke des Gewürzes enthält. Hervorragend.Restaurant Tribeca Jan Sobecki Anna Gold Caviar

Mit “Pommes Tsarine”: Anna Gold Caviar, Kartoffel Crème fraîche nähert sich die Küche einem, die Kombination verrät es, Klassiker an. Die Fischrogen bei dem bekannten Dreiklang kommt aus einem Zuchtbetrieb inEindhoven. Sobecki baut eine Variation ein, die auch der Zarin gefallen hätte. Kartoffeln finden als feiner Kartoffelsalat, subtil mit Zwiebeln abgeschmeckt, in einem Schaum und bei einem krossen Rösti Verwendung. Noch nicht rustikal genug? Ein Rauchöl – ein auf dem Green Egg hocherhitzter Stein wurde in Öl geworfen – verleiht dem Ganzen noch eine Nuance zusätzliche Spannung. Ein herzhafter, köstlicher Gang mit einer Nocke Dekadenz. Lekker!Restaurant Tribeca Jan Sobecki Langoustine

Langoustine, Pastinake, Mandarine, Escabeche erinnert für einen Moment in der Zusammenstellung an den von Thomas Bühner im La Vie servierten Gang ‘Red Gamba, Mandarinen-Sojabutter, Zitronenthymian’. Doch steckt bei Sobecki trotz verwandter, ähnlicher Zutaten wie Krustentier, Doldenblütler und Mandarine mehr Wumms dahinter. Zumal à part noch ein Klauenfleisch-“Dim-Sum” mit voller Kopfintensität dabei ist, niederländische Frittierkunst inklusive. Insgesamt blitzen ein jedes Mal, wenn Üppigkeit und Kraft zu übernehmen drohen, Frucht und herbe Noten der Mandarinen-Nage auf. Dass ein anderer Wein, der Main Divide der Donaldson Family Chardonnay 2015 aus Neuseeland, genau in diese fruchtige und bittere Kerbe schlägt, ist eine weitere, losgelöste Parallele.Restaurant Tribeca Jan Sobecki Dorsch

Konnte der Gang zuvor noch der Schublade “modernisierte Klassik” und “food pairing” zugeordnet werden, greift Kabeljau, Zwiebel, Kartoffel, Trüffel ein ungleich tradierteres Geschmacksmodell auf. Die Qualität und Garung des Fisches sind superb. Das ordentliche Stück zerblättert saftig-zart, unterm Salamander bekam der Fisch eine feine Kruste. Das ist purer Wohlgeschmack. Doch erneut von brachialer Schwerfälligkeit befreit: Knusprige Elemente Topinambur halten herb dem süßlich Zwiebelconfit stand. Die Trüffelsauce aus mit selbst hergestellter Trüffelbutter aufgemixter Hühnerbrühe, ist zwar substantiell, erschlägt allerdings nicht mit Mächtigkeit und TrüffelaromaRestaurant Tribeca Jan Sobecki Gnocchi

Sobecki scheint sich ganz bewußt Würz-Luft nach oben gelassen zu haben. Nach Gnocchi: Opperdoes Kartoffel, Tomate, Parmesan wäre eine Steigerung kaum möglich gewesen. Was er aus den Kartoffeln aus Nord-Holland macht, ist das Intensivste, was man aus Erdäpfeln in Nockenform herausholen kann. Er verwende wenig Mehl, um den Geschmack nicht zu verfälschen. Die Technik habe er aus dem “Craft” in New York City mitgebracht, wo Küchenchef Tom Colicchio nicht nur für seine tadellosen, naturbelassenen Zutaten sondern auch für seine Pasta-Gerichte bekannt ist. Diese Traum-Gnocchis mit klarem Kartoffelgeschmack und leichter Kruste halten der Intensität von Parmesanschaum, getrockneten Kräutern (insbesondere Basilikum), halbgetrockneten Tomaten und Melasse stand. Ohne die Kartoffeln als Puffer würde der Zeiger in den roten Mirácoli-Bereich ausschlagen.Wow.Restaurant Tribeca Jan Sobecki Hirsch

Danach erscheint schlüssig, den ersten Fleischgang, Hirsch, Süßkartoffel, Pancetta, rote Früchte, puristisch auf den Teller zu bringen. Rohe, angeröstete Pinienkerne und Pininenkernöl sorgen für harziges Waldigefühl zum Wild aus niederländischer Jagd. Dazu passen die Fruchtnoten, die zusätzlich eine prägnante, pointierte Säure mitbringen. Ein Hauch speckige Rauchigkeit verleiht dem Fleisch zusätzliche Kraft. Den Süßkartoffelschaum, erneut aus dem iSi-Spender, braucht es als einschmeichelndes Bindeglied nicht zwangsläufig. Ansonsten pur und richtig auf den Punkt.Restaurant Tribeca Jan Sobecki Wagyu Short-RibDas Fleisch bei Short Rib, Pfifferlinge, Miso, Cruesli stammt vom Wagyu. Von einem Tajima-Rind aus Japan wie mittlerweile wegen diverser Herkünfte hinzugefügt werden sollte. Die Menge ist perfekt bemessen, denn das Fleisch ist intensiv und reich an Fett, das natürlich eine Menge an Geschmack mitbringt. Der Cut, der häufig länger gegart wird, liefert nicht zu weiches Fleisch, das angenehmen Widerstand beim Kauen hat. Klugerweise kombiniert Sobecki dazu nur wenig andere Zutaten. Seiner klassischen Sauce hat er eine optimale Dosis der Fermentationspaste verpasst, so dass es weder überwürzt noch plakativ zugeht. In dieses Bild passen die Pfifferlinge, ein wenig Zwiebelpüree und die getrockneten, knusprigen Gemüsestückchen, die hier Cruesli genannt werden. Das Ergebnis dieses packenden Fleischgangs ist geballte Power mit Verstand.Restaurant Tribeca Jan Sobecki Pierre RobertPierre Robert, Alba Trüffel, Brioche, Manjari ist vieles, ein entschlacktes Schokoladen-Dessert, ein Käsegang und gelungenen Food Pairing – vor allem aber zum Wohlfühlen köstlich und dabei interessant. Eine leichte Ganache und knuspriges Brot toppt eine Art Béchamel aus der nordfranzösischen Käsekreation. Der Gang changiert zwischen salzig, süß, leicht und gehaltvoll. Der weiße Trüffel fungiert erfolgreich als Bindeglied zwischen den auf dem Papier widersprüchlichen Zutaten Schokolade und Käse. Yeah!Restaurant Tribeca Jan Sobecki SanddornBei Sanddorn, weiße Schokolade, Karamell, Argan geht es nicht zu süß, dafür fruchtig und knackig zu. Die medizinalen Noten des Dünengewächses bleiben erfreulicherweise im Zaum. Ein vielschichtiger, gut zu essender und insgesamt guter süßer Abschluss. Sogar nach elf Gängen lässt sich die Mischung aus Schoko- und Karamellsubstanz und Frische gut essen. Das heißt schon was.Restaurant Tribeca Jan SobeckiDie Selbstdarstellung trifft es schon einmal sehr gut: “At Tribeca, it’s about flavour. With a focus on pure, clean tastes. Back to the classic cooking, but solidly modern.” Am Tresen gebe es weniger Garnierung, sondern es gehe noch purer zu, ergänzt Jan Sobecki. Der Geschmack sei mehr auf die Zwölf sei und die Kreationen vielleicht einen Tick mutiger als im Restaurantbereich. Manches mal nehme man nicht nur Platz am Kitchen Table, sondern auch in der Versuchsküche.

Die Basis des zwölfgängigen Menüs ist  zumeist Produktküche. Eine hervorragende Zutat steht im Fokus. Dazu kommen wie erwähnt immer wieder klassische Kombinationen und die daraus resultierenden Geschmacksbilder. Das verwundert nicht, denn Sobecki hat in der Pariser Restaurantinstitution Ledoyen gearbeitet und schwärmt für Pierre Gagnaire. Doch verleiht er dieser klassisch geprägten Substanz stets mit Unbekanntem, Überraschendem und Spannendem eine Eigenständigkeit. Das kann eine unerwartete Komponente (Passionsfrucht und Kakao beim Thunfisch) sein, ein einprägsames Mundgefühl aus Kühle und Textur wie beim Tatar oder meisterhafte Aromenpaarungen wie zwischen der Auster und Bockshornklee und beim Käsegang. Dazu stimmen die Proportionen. Nach zwölf Gängen ist die Sättigung angenehm. Vom Hauptprodukt war stets reichlich auf dem Teller oder in der Schüssel. Damit wirkt die Küche von Jan Sobecki wie ein Bindeglied zwischen bereits angesprochenen Sergio Herman und Jonnie Boer sowie dem klassischeren Janis Brevet im Inter Scaldes in Kruningen.

Dass der Aufbau der Gerichte – wie beschrieben –  teilweise ähnlich funktioniert, stört aufgrund des Variantenreichtums nicht. Etwas weniger Schaum aus den für die Abläufe praktischen Sahnespendern wäre eventuell nicht schlecht. Allerdings läßt sich so intensiver Geschmack ohne sättigende Substanz über derart viel Gänge transportieren.

Das Menü ist in beiden Bereichen fair kalkuliert. Das gilt auch für die Weinkarte, die sehr viele Burgund, aber – für die Niederlande nicht immer selbstverständlich – Deutsches listet. Zum Essen schenkt der Sommelier überraschend schlanke und “kühle” Weine aus Südafrika und Neuseeland aus. Wer angesichts dieser Möglichkeiten nicht fahren mag, findet auf der Restaurant-Website günstige und einladende Bed and Breakfasts.

Eine gute Idee, denn ein Wiederbesuch im Restaurantbereich steht unbedingt auf der Wunschliste. Bei solch einer Erfolgsgeschichte konnte sich beim Crowdfunding für den Garten und den Außenbereich mitmachen. Zumal Anfang Dezember der Guide Michelin Netherlands 2018 erscheint.

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