Fehrenbach, Düsseldorf
Als ich vor Jahren aus der Depression der Peripherie Richtung Inner-City-Blues umzog, war eines meiner Vorhaben, Düsseldorf von A bis Z in einer Art Fotosafari zu erkunden. Von A wie Altstadt bis W wie Wittlaer wollte ich jeden Stadtteil besuchen. Und wie das so ist mit Ideen und Projekten, steht die Umsetzung bis heute noch aus. Ähnlich sieht es oftmals bei kulinarischen Plänen aus. Da gibt es dann Restaurants, die ich seit Ewigkeiten besuchen will, aber in die ich dann doch bisher nicht eingekehrt bin. So ein Fall ist auch Fehrenbach – das kleine Restaurant, das mittlerweile seit über zehn Jahren in Pempelfort beheimatet ist und noch immer Jubiläum feiert.
Immerhin gehört Pempelfort mittlerweile zu den Stadtteilen Düsseldorfs, die ich näher kenne. Schließlich finden sich dort die für Einkäufe attraktive Nordstraße, die Schwerinstraße mit ihren Restaurants und (Genuß)Läden (Die Kaffee, Private Wine Compilation) und nicht zuletzt meine bevorzugten Einkaufsquellen: der wunderbare Käseladen Tischdame und, samstags und mittwochs, der Erzeugermarkt am Kolpingplatz.
Jetzt geht es also endlich doch einmal in das von außen unscheinbare Restaurant, das seinen Untertitel völlig zu recht trägt. Mit elf Tischen, hohen Decken und puristischem schwarz-weißem Design umschreibt dieser die intime Atmosphäre treffend. Dazu passen folgerichtig die Namen der mit “Liebe”, “Lust” und “Leidenschaft” betitelten Menüs. Das klingt viel für ein derart kleines Restaurant, täuscht aber, weil es insgesamt dann doch nicht mehr als fünfzehn Gerichte sind, die angeboten werden. Verantwortlich für die Küche zeichnet sich Alexander Türk, der in seiner Koch-Vita gute Stationen wie den Jagdhof Glashütte in Bad Laasphe, das Adlon, das Hümmerstübchen und den Herzog von Burgund in Neuss stehen hat.
Der aufmerksame und freundliche Service serviert als Amuse gueule ein Stück gebeizten Lachs mit Sesam und Linsensalat. Das schmeckt unaufgeregt gut; nussig-knackig und pikant-säuerlich. Der Fisch ist aromatisch recht dezent und hätte daher im Verhältnis zu den Hülsenfrüchten ein üppiger dimensioniert sein dürfen.
Der Auftakt zum Viergang-Menü ( 62 Euro) mit Ceviche von Cobia, fermentierter Chinakohl, Sake-Reis, Mönchsbart und Chilli-Popcorn vereint gleich drei aktuelle Trends. Ein neuer Gast auf hiesigen Speisekarten ist der weiße und festfleischige Meeresfisch aus tropischen und subtropischen Bereichen von Atlantik und Indopazifik. Ordentlich promotet und über Händler wie FrischeParadies ist der aus Marikultur in Panama stammende Cobia frisch verfügbar. Die peruanisch inspirierte Zubereitung durch Marinieren mit (Zitrus)Säure ist auch noch tagesaktuell. Der Fisch verträgt sie durchaus, bleibt dabei zwar als Solist geschmacklich etwas zurückhaltend, dafür harmoniert die feste Struktur blendend mit Trend Nummer drei, der Fermentation. Der Kohl ist in Art eines koreanischen Kimchis säuerlich und leicht scharf vergoren. Gut wird es, sobald alle Protagonisten gemeinsam mit dem süßlichen, klebrigen Reis auf den Löffel kommen und eine spannende Melange eingehen.
Über den Sinngehalt von Surf and Turf läßt sich durchaus streiten, im Falle von Bäckchen vom Duroc, Rotschalengarnelen, Blumenkohl, Chorizo funktioniert die Kombination von Schalentier und Fleisch ausgezeichnet. Die Garnele hat knackig-festes Fleisch und leichte Röstnoten und passt zum beinahe vor Zartheit zerfallenden Muskelfleisch des Schweins und dem Schmackes der spanischen Rohwurst. Die kohlig-nussigen Noten des gekochten, ausgebackenen und zur Crème verarbeiteten Blumenkohls sind ein wahrer Komplementär, wie er schon aus der recht häufigen Kombination mit Jakobsmuscheln geläufig ist.
Als kleine Erfrischung folgt Paprikasorbet, Chorizo-Polenta und Chilli-Crunch. Gerade das Sorbet schmeckt originell und intensiv nach geschmorter Paprika und bräuchte außer dem Cracker im Prinzip keine Begleitung. In dieser “un”süßen Form lasse ich mir ein Intermezzo vor dem Hauptgang gerne gefallen.
Der Gast liest Entrecôte, Bratkartoffelpüree, geräucherter Hüttenkäse, Bacon und ahnt, da kann nicht viel schiefgehen und es wird schmecken. Das habe ich alles schon einmal in ähnlicher Form zuhause zubereitet und bin dann doch neugierig, wie es ein Profi anstellt. Das Püree im Fehrenbach hat deutlich mehr Zwiebel- und Specknoten als mein Versuch, vor allem aber ist die Konsistenz deutlich begeisternder als meine klebrig, feste DIY-Masse. Das knackig-fische Gemüse aus Zucchini und Bohnen und die Rauchnoten des Käses gehen eine tolle Verbindung ein. Nur beim Fleisch gibt es leichten Optimierungsbedarf. Es sieht gut gegart aus, ist im Biss allerdings etwas sehr fest und – das ist dann eher schade – geschmacklich nicht besonders expressiv.
Heute mal kein süßer Abschluss, zu verlockend war der Käsegang aus Bleu d’Auvergne, Avocadosorbet, Tomaten-Focaccia. Auf das Sorbet war ich besonders gespannt und probiere es sofort pur. Das schmeckt nicht schlecht, aber auch nicht spektakulär. Das wird es erst in Zusammenstellung mit dem französischen Blauschimmelkäse, dem locker-fluffigen Brot und den Säureakzenten des weißen Puders, das nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Schön!
Beim Schreiben des Berichts hat sich aus unerfindlichen Gründen Tom Waits’ In The Neighbourhood im Ohr festgesetzt. Vielleicht weil das Fehrenbach ein nettes Nachbarschaftsrestaurant ist, das aufgrund der Menüstruktur dazu einlädt, mal nur auf drei Gänge vorbeizuschauen oder gleich die große Oper in Form eines vielgängigen Menüs abzurufen. Das Essen hat Geschmack, ist verständlich und doch blitzten dazwischen gute und originelle Ideen auf.