Zwischen Bergen und Seen – Schweizer Wein
Lange Jahre war für uns Kinder der jährliche Familienurlaub in der Schweiz eine mäßig spannende Veranstaltung. In einer Zeit, in der Tennis noch boomte, standen wir morgens auf dem Court, am Nachmittag wanderte die Familie und ein, aus Kinder- und Teenagersicht, steifes Dîner war die Abendunterhaltung. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich begann mit Hilfe der Weinkarte die Schweiz zu erkunden…
Schweizer Weine fristen in Deutschland ein Schattendasein. Dazu tragen unter anderem der starke Schweizer Franken und die teils begrenzten Produktionsmengen bei.
Dies ändern und zeigen, daß es nicht an der Qualität und Vielfalt des eidgenössischen Weinbaus liegt, wollte SwissWein@ProWein 2014 mit der gut besuchten Veranstaltung Die Weinschweiz in Deutschland im Industrieclub Düsseldorf.
Neben den einheimischen, autochthonen Rebsorten wie Amigne, Petite Arvine und Cornalin werden in der Schweiz natürlich auch internationale Rebsorten angebaut. Dabei stechen unter anderem in der Bündner Herrschaft Weine aus der Pinot Noir-Traube und im Tessin Merlots heraus.
Durch die Urlaube im Kanton Graubünden mit dem Gebiet etwas vertrauter, konzentrierte ich mich auf von dort stammende Weine. Nicht vertreten auf dieser Verkostung, aber auch über die eidgenössischen Grenzen hinaus bekannt und hoch gelobt, sind die Winzer Daniel Gantenbein, Christian Hermann und Thomas Studach (großartiger Chardonnay!). Umso glücklicher war ich, endlich einmal die raren und gesuchten Weine von Irene Grünenfelder (Weingut Eichholz), die ihre Weine auf gebietstypischen 5,5 Hektar anbaut, probieren zu können. Im Gepäck hatte die ehemalige Lehrerin einen frischen und feinen Sauvignon blanc 2012. Überzeugend war die Basis, der im großen Holzfaß ausgebaute Pinot Noir 2012. Beim Alte Reben 2012 gefielen mir die rauchigen und speckigen Noten. Sehr fein, äußerst elegant und mit Lagerpotential ausgestattet der Eichholz 2012, der je nach Jahrgang zu 30 bis 50 Prozent in neuen Barriques ausgebaut wird.
Die beiden Pinot Noirs von Annatina Pelizzati, der Pinot Noir Jenins 2012 und der Pinot Noir Barrique Jenins 2012, hinterließen einen zwiespältigen Eindruck. Hier sollte ich zur Überprüfung im Keller nach einer reiferen Flasche suchen.
Bei Obrecht – Weingut zur Sonne gab es erst einmal eine positive Überraschung mit dem Obrecht – Brut. Der zu 90 Prozent aus Pinot Noir und nach der Méthode champenoise ausgebaute Schaumwein hatte eine fruchtige Nase mit einen Hauch Erdbeere, war dann aber am Gaumen knochentrocken, Sehr leicht und erfrischend. Wäre da nicht der Preis, ein Wein, den man toll für Terrasse und Balkon verkaufen könnte. Sehr schön im mittleren Segment der feine Obrecht – Trocla Nera 2011. Zurecht trägt der Obrecht – Monolith 2011 seinen Namen: aus über 50 Jahren alten Rebstöcken und 30 bis 50 Prozent in neuem Holz ausgebaut ist hier ganz schön Wucht vereint, die am Ende noch elegant wirkt.
Daß auch in anderen Teilen der Deutschschweiz interessante Weine erzeugt werden, beweist Erich Meier mit seinen Weinen aus der Region Zürich. Das Weingut umfaßt 8 Hektar, gelegen an der Goldküste des Zürichsees. Vor Jahren hatte ich in Didi´s Frieden (Kurzbericht) in Zürich einen Wein des sympathischen Winzers im Glas und besitze gar noch den Zettel, auf dem der Service mir den Namen des Winzers notiert hatte. Außergewöhnlich der spontan vergorene Riesling 2013, der mit 21 Gramm Restzucker und 10,5 Gramm Säure überraschend ausgewogen und animierend daherkommt. Von seinen Rotweinen hatte Meier zum Vergleich Pinot Noir Barrique 2011 und Pinot Noir Barrique 2012 mitgebracht. Das 100 Prozent neue Holz war beim reiferen Exemplar natürlich schon wesentlich besser eingebunden. Als seinen Lagerwein bezeichnet Meier seinen Plural 2012, eine Cuvée aus der relativ jungen Schweizer Neuzüchtung Diolinoir, Pinot Noir und St. Laurent. Insgesamt Weine, die wirklich Spaß machen.
In der Schatzkammer einem angrenzenden Raum trat die Vereinigung Mémoire des Vins Suisses den Beweis an, daß schweizer Weine über ein Alterungspotential verfügen. So waren bei dieser Rariätenprobe sämtliche Schatzkammerweine des Jahres 2004 vertreten.
Toll gereift, mit schöner Extraktsüße präsentierte sich der Kloster Sion Pinot Noir Klingnau Réserve. Ein wahrer Schmeichler. Ausgewogen und speckig, gerade noch auf dem Zenit, war der Pinot Noir -R- von Baumann Weingut, dessen Farbe schon leicht ins Hellbräunliche tendierte. Farblich ähnlich im Glas, aber mit mehr beeriger Frucht, voller wirkend und mit spürbaren Tanninen ausgestattet, gefiel der von Tscharner jr. ausgeschenkte Churer Blauburgunder Gian-Battista vom Weinbau von Tscharner.
Der Winzersohn empfahl mir auch, die folgenden Weine unbedingt noch zu probieren: Den feinen Sassi Grossi von Gialdi Vini, den Pio della Rocca von Adriano Kaufmann, den genialen Montagna Magica von Daniel Huber und den Orizzonte von Christian Zündel. Zum Abschluß des Tages bekam ich dann noch Hunger auf Gänseleberterrine: Der Petite Arvine Grain Noble von Marie-Thérèse Chappaz war einfach herrlich. Im Barrique vergoren, kam der Süßwein einer TBA bzw. mit seinen oxidativen Noten und einem Alkoholgehalt von 12,5 Volumenprozent einem guten Sauternes sehr nah. Toll!