Restaurants

Noma, Kopenhagen, Dänemark

DSC_9737Auch im Noma wird nur mit Wasser gekocht. Und, um noch etwas vorwegzunehmen – das Noma ist vielleicht auch nicht das weltbeste Restaurant. Eine Erkenntnis bleibt aber bei allem Hype: Das Noma ist weiterhin eines der maßgeblichsten Restaurants der Welt. Die Impulse, die René Redzepi erst für die Küche des Nordens, die New Nordic Cuisine, gab und weiterhin gibt, sind ebenso unübersehbar wie die Denkanstöße, die weit über die europäischen Grenzen hinaus nicht nur ihre Nachahmer, sondern auch kreativ denkende Umsetzer und Weiterentwickler gefunden haben.

DSC_9339Das Gesicht des Nomas ist ganz klar der 36-jährige Redzepi, der nach Stationen u.a. in der French Laundry von Thomas Keller und Ferran Adrias El Bulli im Jahre 2003 das Noma mit Claus Meyer eröffnete. Meyer ist heute im Noma nicht mehr operativ tätig, sehr wohl aber mit einem neuen Restaurantkomplex namens The Standard, eigener Kochschule, eigenen Erzeugnissen (Mehl und Essig) und von ihm selektierten Produkten und kulinarischen Büchern aktiv.

Der Guide Michelin zeichnet das Restaurant bisher beharrlich mit zwei Sternen aus, was Gourmets und all die, die derartige Lokalitäten als place to be ansehen, nicht davon abhält, für ein stets volles Haus und eine schwierige Reservierungssituation sorgen. Umso mehr möchte ich mich an dieser Stelle bei André Cis bedanken, der für eine Gruppe von Foodies Anfang Mai einen Tisch zum Lunch klarmachen konnte.

Nachdem man bereits während eines Umbaus ein Gastspiel in London zu den Olympischen Spiele 2012 gegeben hatte, schließt das Noma im Januar 2015 erneut, um als Noma at Mandarin Oriental in Tokio die frohe Botschaft auch in Japan zu verbreiten. Dort wolle man das Noma-Manifest, u.a. nur mit Zutaten aus dem skandinavischen Raum zu kochen, auf japanische Ingredienzien anwenden. Man kann sich ausmalen, daß auch dort die Plätze heißbegehrt sind – zumal Redzepi, das Marketinggenie, wie auch bei unserem Besuch, ständig in Sachen PR unterwegs ist.DSC_9349Jetzt ist aber Schluß mit dem Vorgeplänkel und Zeit für Essen. Rote Johannisbeeren und Lavendel sowie eine halbe eingelegte unreife Erdbeere sind nicht der Auftakt zu den Süßspeisen, der versehentlich hier an den Anfang gerutscht ist, sondern ein kleiner Muntermacher, da hier Säure und Frische akzentuiert wurden.

DSC_9354Ist ja spaßig – mit der Nordischen Kokosnuss, einer ausgehöhlten Roten Bete nimmt der Auftakt von Einstimmungen spielerisch seinen Lauf. Wie einen Cocktail schlürft man aus dem immer noch leckeren wie hippen Fuchsschwanzgewächs eine intensiv-erdige Pilzbrühe, die am Ende fruchtige Noten durch fermentierte Beeren entwickelt.

DSC_9364Wer schon immer mal wissen wollte, wie frittiertes Moos aus Nordschweden schmeckt, hat bei Moos und Steinpilze dazu die Gelegenheit. Mir als Waldschrat fällt sofort auf, daß skandinavisches Moos eine durchaus meersalzigere Note hat als jenes aus dem Grafenberger Wald. Im Ernst, das mit Steinpilzpulver bestäubte Leibgericht des Rentiers erbibt zusammen mit der Crème fraîche  eine würzig-erdige Knusperei.

DSC_9381Man darf nicht nur, man soll und muß mit den Fingern essen. Auch die Ulmen-Früchte zieht man durch die darunter aufgestrichene Paste aus gerösteter Hefe und einverleibt sie sich. Eigentlich schade, daß die Ulme dieses schmackhafte, erdig-nussige Grün nur wenige Tage im Jahr trägt. Da trifft es sich doch gut, daß im Noma genug Personal zur Verfügung steht, um zum Sammeln in die Wälder geschickt zu werden.

DSC_9392Wenn Du nach Kopenhagen kommst, vergiß mir nicht von den an Land und Strand von den Köchen morgens noch gesammelten Blumen und Blüten zu kosten. Die Blumen-Tarte wirkt aber nicht nur optisch toll, sondern schmeckt mit ihrem knusprigen Seegras-Boden so wunderbar, daß ich dagegen jede Knifte zum Frühstück eintauschen würde.

DSC_9404Wenn Foodies andächtig schweigen, kurz die Kamera aus der Hand legen und sich um ihre Gänsehaut kümmern – dann muß schon etwas sehr Beeindruckendes passiert sein. Vor uns haben wir eine Mahagoni-Muschel mit Getreide, die Islandmuschel. Anhand der Jahresringe auf der Schale, den Zuwachsstreifen, läßt sich das Alter bestimmen. Mein Exemplar, so der nette, wahnsinnig engagierte und kompetente Service, habe schon hundert Jahre auf dem Buckel. Geschmack und Konsistenz sind fast unbeschreiblich – es schmeckt intensiv nach Muschel, jodig, aber ohne Fischigkeit. Mit dem Seegras-Pulver und dem Getreide etwas säuerlich, leicht in Richtung Tee gehend. Dabei zart schmelzend im Mund. Unvergeßlich!

DSC_9422Nach dieser unbeschreiblichen Meeresfrucht kann es der nachfolgende Gang einfach nur schwer haben. Beim grünen Spargel mit Toffee von der Jakobsmuschel wurde der gegarte Bio-Spargel in Spargelessig mariniert, wenngleich er insgesamt geschmacklich etwas blaß bleibt. Zusammen mit der fischig-hefigen Sensorik der honigcremigen Jakobsmuschel-Paste ergibt sich dann mehr Intensität. Ein Gang, dessen Grundidee wir kurze Zeit später bei Nils Henkel elaborierter und spannender umgesetzt auf dem Teller hatten,

DSC_9431Der Hinweis beim Servieren lautet “Schnell in den Mund damit, es sollte nicht warm werden” – also schmelzen dann im Mund und nicht auf dem Filz karamellisierte Milch und Seeteufel-Leber. Hier ergibt sich ein schönes Mundgefühl mit der gekühlten Fischleber, die erst mild-fischig und und dann etwas inteniver, mit getreidigem Nachgeschmack, nach Leber schmeckt. Die Milchhaut rundet aromatisch ab und verdichtet mit leichter Süße das Gesamtbild.

DSC_9442An dieser Stelle verliert dieser Hochfrequenz-Reigen an Momentum. Bei Weißkohl und Meerfenchel ist die Küstenpflanze aus der Familie der Doldenblütler mit Brunnenkresse zu einer Art Pesto verarbeitet und füllt den frittierten Kohl. Geschmacklich könnte das aufgrund der sehr grünen, leicht Fenchel ähnlichen Noten durchaus interessant sein, doch stört hier ein unangenehm öliger Geschmack.

DSC_9450Bei  Æbleskiver, Liebstöckel und Petersilie stellt sich mit “Ja, ist denn schon Weihnachten?” eine berechtigte Frage. Die sympathische dänische Mitesserin am Tisch erklärt nämlich, daß man  sich dieses traditionelle Gebäck zu Weihnachten mit Glögg massig gönne. Im Noma fehlt der skandinavische Glühwein und es handelt sich auch nicht um Apfelscheiben – nichts anderes heißt Æbleskiver übersetzt – sondern der in Rinderfett ausgebackene Teig ist mit Spinat, Liebstöckel und Schalotten gefüllt. Die Bitterkräuter obenauf verhindern dann jegliche Annährung an ein Dessert. Eine sehr gelungene Weiterentwicklung eines tradierten Gerichts.

DSC_9459Ein schöner Snack ist die nächste Kleinigkeit: Toast vom Seehasen. Rösches Brot, Seehasen-Rogen (der gottseidank nichts mit der Panscherei, die als deutscher Kaviar verkauft wird, zu tun hat) und knusprige Entenhaut. Mehr braucht es manchmal einfach nicht für großen Genuß. Und gegessen wird noch immer mit den Fingern…

DSC_9484Steckerlfisch à la Noma mag schwache Gemüter schockieren – ich finde es großartig! Der gegrillte Zanderkopf wurde mit Seegras auf dem Barbecue gegart und das Kräutersträußchen wurde mit Meerrettichessig mariniert. Ein rurales und pures Eßerlebnis, bei dem man vom Fisch nicht nur Bäckchen und Kinn, sondern durchaus alles, also auch die Augen essen kann und sollte – es schmeckt nämlich.

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DSC_9490Noma für Zuhause. Schön, wenn man in einem Spitzenrestaurant Dinge entdeckt, die abgekupfert wurden ( Stichwort Calçotada) und bei denen man sagen kann “Das kann ich auch zu Hause machen”. Beim verbrannten Lauch mit Kabeljau-Rogen ist das Vorgehen äußerst simpel, der Effekt aber wow, Man nehme eine Lauchstange, grille diese bis zum verkohlten Zustand wie im Bild und schneide sie dann auf. Teile des Inneren herausnehmen und mit etwas Thymian marinieren und dann mit Fischrogen wieder in die Lauchstange zurückgeben, Servieren et voilà: Es ist cremig und schmeckt gleichermaßen süß, herb und rauchig. Tipp unter Freunden: Die äußere Hülle nicht mitessen 😉

DSC_9502Mit Apfel und Seetang gibt es eine kleine Erfrischungspause. Der Elstar Winterapfel wurde mit Schlehe gekocht und mit Seetang gewürzt. Bis auf die Dimension – man sollte nicht unbedingt den ganzen Apfel essen – eine gelungene Beruhigung der Geschmacksnerven.

DSC_9524Die Ravioli aus rohen Garnelen, Bärlauch, Rettich und Hefe sind der gelungene Auftakt des eigentlichen Menüs. Angenehm dezent wirken die unglaublich frisch nach Meer schmeckenden Garnelen und werden vom typisch grünlich-knoblauchigen Geschmack des Lauchgewächses in Szene gesetzt, Der hefigen Sauce gibt Öl von der Rhababerwurzel Säure und den genau richtigen Ölgehalt für das Mundgefühl. Das ist sehr fein und filigran.

DSC_9540Deutlich milder und fruchtiger, entgegen der beim Gang zuvor aufgebauten Spannung, geht es danach bei Milchquark mit eingemachten Heidelbeeren, Zitronenthymian und Kiefer weiter. Obwohl der Quark äußerst frisch und intensiv zu sein schein, hat er es schwer, sich gegen seine Begleiter durchzusetzen.

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DSC_9552Aus Gründen der Überraschung gibt es die Menükarte erst nach dem Essen. So diente der Gang zuvor wohl nur, den Gast in trügerischer Sicherheit vor Beef Tartar und Ameisen zu wiegen. Das gar nicht mal so zarte und bemerkenswerte Fleisch wurde einige Wochen in Seegras und Sellerie gereift und nun mit Salz und Ameisen gewürzt. Sein Aroma gibt es nur nach einem längerem Kauprozeß frei. Interessant ist die kurze, spitze (Ameisen)Säure der Waldbewohner sowie das leichte Szechuan-Pfeffer-Aroma. Ekel? Nein. PR-Gag? Nein. Spannend? Ja. In seinem Kochbuch DOM – Die neue brasilianische Küche erklärt Alex Atala, daß Ameisen in Brasilien schon seit langer Zeit zum Würzen genutzt werden. Also wurde das Rad mit diesem Gang nicht neu erfunden, sondern nur ein Fingerzeig gegeben, was man alles in kulinarische Überlegungen einbeziehen kann. Nicht unbedingt muß.

DSC_9556Die Aufregung währte einen Gang lang und mit Rote Bete, Schlehe und aromatischen Kräuter geht es wieder etwas ruhiger weiter. Die Rote Bete wurde drei Stunden gegart und dabei alle zehn Minuten gewendet.  Die daraus resultierende Intensität wird von Rote Bete-Öl und Kümmel weiter unterstützt. Aromatischen Reiz und Tiefe steuern in Form von Säure und Frucht fermentierte Pflaume und unreife Schlehe bei. Der Bronzefenchel soll natürlich nicht nur verdauungsfördernd wirken, sondern gehen von ihm Vegetabilität und sein typisches Anisaroma aus.

DSC_9575Ei mit frischem Grün liest sich recht banal und wirkt auch optisch eher hübsch denn spannend. Aber das Entenei ist perfekt gegart und leicht geräuchert. In den wieder einmal handgepflückten Blumen befindet sich auch gegrillter Bärlauch, der schöne Grillaromen beisteuert, so daß es am Ende ein guter Gang bleibt.

DSC_9589Als Abschluß der herzhaften Gerichte schickt die Küche mit Steinbutt, Waldsauerklee und Brunenkresse ein überraschend minimalistisches (Haupt)Gericht. So wird keine dicke Schnitte aus dem Steinbutt präsentiert, wohl aber ein tolles Stück Fisch. Bei diesem Gang überzeugt der Purismus, weil einfach alle Komponenten, zu denen auch die Meerrettichcreme gehört, harmonieren und -auch wenn es auf dem Bild nicht so scheint- gut poportioniert sind.

DSC_9601Erfrischend durch eine grüne Aromatik und spürbare Säure geht mit Rhabarber und Sauerampfer der eigentlich süßen Abschluß los. Und dabei sieht es auch noch so schön aus…

DSC_9630Ich bin bei Desserts oftmals glücklich, wenn sie nicht allzu mächtig und zu kleinteilig ausfallen. So schemcken Aronia Beeren und Söl weitaus komplexer und spannender, als das Bild widerspiegelt.

DSC_9652Skyr mit Sanddorn-Marmelade, Karamell-“Brot” und Holunderblütensalz.

DSC_9656Tolles Gebäck zum Abschluß, wobei man Petit four bei dieser Größe kaum mehr sagen kann. Statt Zimt (kein skandinavisches Produkt) wurde hier geröstete Gerste verwendet.

DSC_9666Knabberei aus krosser Schweinehaut mit Schokolade und Beeren

DSC_9543Natürlich bietet das Noma auch eine Weinbegleitung an. Die Auswahl bot durchaus Entdeckungen und deckte das Spektrum von bio-dynamisch erzeugten Weinen, Orange Wines und Natural Wines ab. Am Ende empfand ich nicht alle Weine passend und teilweise sensorisch überfordernd. Die Begleitung der grünen Noten und der Säure aus Frucht oder Pflanze sind auch nicht einfach zu begleiten. Teilweise hätten Weine mit ein wenig Restsüße mir besser gefallen. Zeitgemäß kann der Gast auch eine alkoholfreie Begleitung aus “Unvergorenem”, die zum großen aus frischen  Obst- und Gemüsesäften besteht, ordern. Hier gab es tolle Getränke, die mir auf Dauer dann aber zu mächtig und hier einen Tick zu süß waren. Vielleicht ist einfach ein Bier die richtige Wahl.

DSC_9717Kleiner Blick hinter die Noma-Kulissen: In der ersten Etage befinden sich viele Kochbücher…

DSC_9685…denn hier ist auch die Versuchsküche untergebracht.

DSC_9671Das Personalessen für das vielköpfige Personal aus aller Welt wird aufgetischt…

 

DSC_9706…und es wird gmeinsam gegessen. Der eine oder andere hängt aber auch am Mobiltelefon oder am Laptop und nutzt die Pause zum Kontakt mit seinen Lieben zu Hause. Neben 25 festangestellten Köchen arbeiten auch viele Stages im Noma.

Keine Tischdecken, dafür Essen mit den Fingern, ausgefallene Produkte und zu jedem Gang eine Geschichte, die teilweise länger als der Happs danach ist –  Das Noma ist die Erlebnisgastronomie der Spitzenküche. Wer allerdings ein bacchantisches Gelage erwartet, wird vom Purismus und der Reduktion enttäuscht sein. Auch unvoreingenommen bereitet nicht jeder Gang gleichsam Freude und Genuß, ist aber immer inspirierend und regt zur Auseinandersetzung an. Viele kulinarische Entwicklungen und aktuelle Strömungen haben ihren Ursprung im Noma – und da ist es als mündiger Gast doch immer gut, das Original zu kennen.

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