Mosel. Mitunter munter.
Das Gute liegt so nahe. Trotzdem war ich erst zweimal an der Mosel. Und das jeweils nur kurz, obwohl die Mosel in gut zwei Stunden mit dem Auto zu erreichen ist. Einmal wollten meine Eltern – es muß mittlerweile 30 Jahre her sein – ein Ferienhaus kaufen, das sich bei unserem Besuch als Schrottimmobilie entpuppte und zuletzt waren wir mit Freunden zum Wandern im grauen November an der Mosel und das schäbige Örtchen wirkte bei diesem Wetter umso trister. Auch bei diesem, meinem dritten, diesmal ausführlichen Besuch, stellte ich fest, Tristesse gibt es. Ich habe Fotos. Strukturwandel, ältere Winzer, die keinen Nachfolger haben und ein Tourismus, der in die Jahre gekommen zu sein scheint oder irgendwo zwischen Mief und Muff der 70er-Jahre und den Ansprüchen von Tagesgästen und Kegelklubs stehengeblieben scheint. Dabei gibt es so vieles Schönes und Tolles an der Mosel. Und davon soll hier die Rede sein.
Die Landschaft. Wasser, Weinberge, Wolken
Winzerhäuschen. Eine Idee, eine Mail, Realität.
Der ausschlaggebende Grund an die Mosel zu reisen, war ein Bericht, den ich über die Winzerhäuschen des Weinguts Longen-Schlöder in Longuich gelesen hatte. Man kontaktierte den Südtiroler (Star)Architekten Matteo Thun, dem die Idee gefiel, etwas Neues als Gästeunterkünfte in Verbundenheit zur Natur zu kreieren. So entstanden aus heimischen Schiefer und Holz Winzerhäuschen, angelehnt an die schuppenartigen Unterstände, die sich überall in den Weinbergen finden lassen. Schlicht und nett eingerichtet, sehr pur. Kein Fernsehen, kein unötiger Luxus. Mit diesem Coup war der Familie Longen die Aufmerksamkeit bis hin zu Architekturmedien und Glamourheften gewiss.
Ich hatte mir die Lage etwas idyllischer vorgestellt, näher am Wein, näher am Wasser. Aber auch in den Streuobstwiesen war es ein sehr angenehmer Aufenthalt. Nur der Trekker, der das Obst spritzte, störte den ökologischen Gedanken deutlich.
Das Frühstück könnte etwas abwechslungsreicher gestaltet sein und ab und an etwas nachzulegen, wäre schön. Die Winzerküche schmeckte durchaus gut – hier sorgten aber Zusatzstoffe wie ausgewiesene Geschmacksverstärker für Irritationen. Das widerspricht der angepriesenen “Hausmannskost de luxe”.
Möselchen. Wein, Weib und kein Gesang
Das Wetter war grandios. Wir waren viel draußen und unterwegs. Der kleinste Teil der Reisegruppe, der mit dem meisten Gepäck, wollte auch ständig raus. Aus dem Kinderwagen, auf den Boden, auf die Füße. Ich hätte auch eine Woche lang Weingüter und Winzer besuchen können; freue mich aber umso mehr, bei Newcomer Alexander Loersch eine feine 2014er Kollektion verkostet zu haben. Spontanvergoren mit moseltypischem Süße-Säure-Spiel, aber auch durchaus knochentrocken. Nicht nur wegen der ausgezeichneten Weine lohnt sich ein Besuch beim Weingut Loersch. Das Wohn- und Gästehaus dürfte auch eine der Probierstuben mit dem spektakulärsten Panoramablick beheimaten. Wenn der sympathische Winzer jetzt noch biologisch im Weinberg arbeiten würde, wäre die Begeisterung noch größer. Kurz vergewisserte ich mich beim etablierten Weingut Schloss Lieser der beständigen Qualität – hoffentlich überdauern wenigstens die Auslesen die Zeit bis zur Volljährigkeit.
Essen. Gutes Essen. Sehr gutes Essen.
Mittags geöffnet, kinderfreundlich und eine ausgezeichnete Küche. Unsere Wahl fiel auf das Restaurant Schanz in Piesport und unser Aufenthalt war hocherfreulich. Auch im Kinderstühlchen kam die angenehme Atmosphäre bestens an und der Brotkorb wurde nicht geteilt – da störte auch der Michelin-Inspektor am Nebentisch nicht, der in seine Effilee vertieft war. Welch ein Klischee! Im Glas “Erdener Treppchen” Spätlese trocken 2003 von Markus Molitor – eine Granate aus einem schwierigen Jahrgang – und auf dem Teller eine regionale, klassisch-moderne Küche mit großer Natürlichkeit. Verständlich, übersichtlich in den Komponenten, geschmacksintensiv, komplex ohne zu überfordern und keine Akkordarbeit für den Service durch Saucenangießen. Kein Wunder, Thomas Schanz war lange Zeit Souschef bei Helmut Thieltges im Waldhotel Sonnora.
Das war also die Mosel für uns. Wir haben soviel nicht gesehen und besucht, daß wir wiederkommen müssen. Diesmal zum Wandern mit dem Startpunkt Winzerhaus.