Zu Gast „Im Schiffchen“ sollte es dann auch das große Menü unter dem Titel „1978-2008 – 30 Jahre in den Sternen“ (136,00 Euro) sein. Auf die Weinbegleitung (6 Gläser 98,00 Euro) wurde zugunsten einer Flasche 2004er Weingut Knipser Kalkmergel Chardonnay & Weißburgunder Spätlese trocken (Euro 67,00 Euro) verzichtet und zum Fleischgang ein Glas Rotwein (19,00 Euro) geordert. Schön, daß die von einer sehr netten Sommeliere gereichte Weinkarte sehr viele gereiftere Weine offeriert, schade, daß diese a) nicht im Internet verfügbar ist und somit vorab nicht in Ruhe studiert werden kann und b) wie auch im Falle des wirklich tollen Weins aus der Pfalz die Aufschläge einfach utopisch sind. Der Wein kostet –identischer Jahrgang- ab Weingut 13,80 Euro…

Prolog

Zum Glas „Gosset Grande Réserve“ (19,00 Euro) wurden mehrere kleine Häppchen serviert, die teilweise etwas umständlich vom großen Löffel zu essen waren:  hauchdünne, knusprige Teigplatten mit Algen dazwischen und Tartar vom Simmenthaler Rind, im Prinzip eine Miniausgabe des Kaisertartars nach Helmut Thieltges. Als Gruß aus der Küche folgte Jean-Claude Bourgueils Sushi „Paris-Tokyo“, zwei lauwarme Maki-Röllchen mit Auster und Hummer und einer beurre blanc statt einer Sojasauce. Ein gleichsam origineller und schmackhafter Einstieg.

Piment, Gold und Kakao
Eine Gabe an die Götter der Azteken

Ginge es primär um die grausamste Speisekartenlyrik, hier wäre ein Anwärter auf einen der ersten Plätze. Ginge es um Tellermalerei, könnten auch hier die vorderen Ränge dicht vor Augen sein. Der Hauptbestandteil des Gerichts, die Gänseleberterrine, war sehr gut; Geschmacksintensität und Cremigkeit waren gut ausgewogen, ein schöner Aspekt kam durch die oberste Schicht in Form einer dunklen Schokolade ins Spiel. Das Blattgold war natürlich nur eine zum Titel passende Spielerei. Das optische Highlight stellte eine aus Kakaopulver auf den Teller gebrachte Pyramide dar, wobei der Duft, der von dieser rührte, nicht zu vernachlässigen ist.

Mit Zedernholz zart geräucherter bretonischer Hummer
Salat mit eingelegter Mango und Thai-Kräutern

Die perfekte Mango zu finden, scheint Profiküchen wesentlich häufiger als dem Hobbykoch zu gelingen. Diese Produktqualität, auch beim Hummer, sollte das Pfund sein, mit dem dieser Gang wuchern konnte. Durch den, wenn auch angenehmen Kontakt mir Rauch, ging viel vom Hummeraroma verloren. Die Thai-Kräuter waren bestenfalls zu erahnen.

Wantan von Guilvinec-Kaisergranat mit Gewürzen
Tee von Tunfischflocken mit Yuzu-Zitronen

Den Teller vor sich  stehenden Teller auf dem Tisch, fragte sich der Gast, ob dies allen Ernstes eine besternte Kreation darstellen sollte. Man stelle sich einen länglichen, rechteckigen Teller vor, auf dem nur eine ca. 15 cm lange, ausgebackene Stange gefüllt mit dem Kaisergranat liegt. Dazu, rechts daneben,  eine Art Tasse mit dem „Tee“. Die von der Stange ausgehende Ästhetik kann nicht gerade überwältigend genannt werden. Noch irritierender wird dann beim eigentlichen Sinn des Essens, dem genußvollen Verspeisen: Auf einmal fragt man sich, wie etwas so banal aussehendes und profan wirkendes so großartig schmecken kann. Der krosse Biß, das genau richtig gegarte Fleisch des Kaisergranats und das Aromenspektrum durch welche Gewürze auch immer ließen die Lieblosigkeit der Präsentation beinah völlig vergessen. Sogar der zunächst seltsam anmutende Tee erfüllte auf einmal seinen Sinn und verbreiterte den Geschmacksteindruck durch Salzigkeit und Säure und  reinigte gleichzeitig die Geschmacksnerven vor jedem weiteren Bissen ähnlich eines Stückes eingelegten Ingwers beim Verzehr von Sushi.

             Gegrillte Schnitte vom Angel-Seewolfbarsch
                              in asiatischem Duft

Die gute Fischqualität und eine gewisse Raffinesse waren bei diesem Gang die Pluspunkte. Die Haut hätte ruhig einen Tick stärker angegrillt sein können. Der asiatische Duft hatte eine rauchige Note, fast wie die Essenz aus Räucherfischen und Aal. Die gegrillte Schnitte lag auf einem Päckchen von Kohlblättern, aus dessen Innerem dann Graupen freiwurden und sich mit dem Rauchsud vereinigten.

Mit Kalbsbries gefüllte Ravioli in Sellerie-Dunst
Coulis von schwarzen Tricastin-Trüffeln

Dies war der schwächste Gang des Abends. Schuld daran war das viel zu intensive Trüffelaroma, bei dem man über die zusätzliche Verwendung von Trüffelöl nur mutmaßen kann. Kaum Briesgeschmack, vom Rest ganz zu schweigen, der sich geschmacklich überhaupt nicht durchsetzen konnte. Die Idee mit dem Sellerie-Dunst als Gewürzpulver (gefriergetrocknet?) hätte sehr gut sein können.

Am Spiess gebratenes Rebhuhn aus der Provence
mit Sarawak-Pfeffer
Schnepfenjus und Apfel-Chutney

Sehr intensiv, bis an die Grenze gewürzt, so daß das mildernde Apfel-Chutney sehr willkommen war. Was es mit dem Spieß auf sich hat, erschließt sich dem Verfasser bisher nicht völlig. Über die sonstigen Beilagen wir besser der Mantel des Schweigens ausgebreitet.

After eight
Manjari-Schokolade Grand Cru
Pfefferminz-Sorbet

Sehr gelungene Nachspeise, die in der Präsentation der oftmals im „Le Moissonnier“ genutzten ähnelt und bei der Jean –Claude Bourgueils Patisserie die Dekonstruktion eines bekannten Ausgangsproduktes deutlich besser gelingt als bei der „Schwarzwälderkirschtorte neu gestaltet“. Jemand von Nestlé sollte sich schleunigst nach Kaiserswerth begeben und winselnd betteln, das Rezept zu erhalten, bei dem nur noch der Grundgedanke an das klebrig-kleistrige, übersüßte  industrielle Schokoladenplättchen erinnert.

Epilog

Hier wird der Gast dann auf eine harte Probe gestellt, denn es folgt eigentlich ein komplettes weiteres Dessert in Form eines „Black Russian nach meiner Art“, bevor die breite Palette an petit fours aufgefahren wird. Das alles ist völlig überzeugend und ein Aufessen kann nur bar jeder Vernunft erfolgen.

Nein, Enttäuschung ist nicht der richtige Begriff. Vielleicht war die Erwartungshaltung bezüglich Düsseldorfs bestem Hause zu groß, vielleicht die Trauer über die Erkenntnis, dass das Restaurant „Im Schiffchen“ zurecht nur noch zwei statt seiner jahrelang gehaltenen drei Sterne innehat oder auch die leichte Empörung über die  wahrhaft kräftigen Aufschläge bei den Weinen.

Der durchgängige Eindruck war, daß die Form des Anrichtens und die Gesamtoptik nicht mehr state of the art waren. Bei einigen Gerichten sorgte der Anblick des Tellers schon für ein wenig Überraschung, da sich ein deutlich anderes Bild als bei anderen Restaurants dieser Klasse ergab.

Die beiden wichtigeren Faktoren aber heißen Produktqualität und natürlich Geschmack. Und damit punktet Jean-Claude Bourgueil.