Im Alten Land auf der Suche nach dem Saucengott
Vom Hamburger Hauptbahnhof braucht die S 3 bis Buxtehude 39 Minuten. Ortsfremden ist die überschaubare Hansestadt häufig wegen der 70er-Jahre Klamotte „Tante Trude aus Buxtehude“ ein Begriff. Freunde ebenfalls leichter, doch weitaus ansprechenderer Kost kennen Buxtehude spätestens seit November 2017, als das Restaurant N°4 von Küchenchef Jens Rittmeyer im Navigare NSBhotel der NSB Reederei einen Michelinstern erhielt und auf der kulinarischen Landkarte auftauchte.
Niemand geringeres als der Saucengott soll in Buxtehude hausen. Mitten im Alten Land. Dort, wo es fruchtbare Böden gibt, wo auf vielen Obstbäumen Äpfel und Birnen prächtig gedeihen. Hier liegt der Biohof Ottilie, der neben mittlerweile bekannten Adressen aus dem Norden wie Marko Seibold oder Lars Odefey auf der Rückseite der Menükarte mit anderen Erzeugern gelistet ist – gut so. Aus diesem reichen Fundus bedient sich Küchenchef Jens Rittmeyer im urigen Gewölbekeller mit Backsteinen und rechteckigem Bullauge mit Blick in die Kombüse. Aus seiner Küche nimmt Steuermann Jens Rittmeyer die Gäste mit auf seine „Nordische Reise“ und bleibt inhaltlich auf Kurs seiner während seiner Zeit im „Kai 3“ auf Sylt eingeschlagenen Route.


Los ging’s bei „Der Anfang“ mit einem Feuerwerk von Kleinigkeiten. Knackig, frisch, herb, natürlich, saftig, animierend: ein ganzer Adjektivschwall zeichnete Rettichtasche mit Senfkohl-Füllung und Pumpernickel-Crumble und, ein bisschen wie Omas Salat, Kopfsalat mit Eisenkrautvinaigrette und Kartoffelknusper aus. Es folgten getrockneter Schwarzkohl mit einer Leindotteröl-Emulsion und mild geräuchertes, wachsweiches Wachtelei. Beim Buchweizentartellete mit Zucchini und Kohlstängeln und getrockneten Steinbuttrogen dockte das fischige Aroma wunderbar an das Gemüse an, bis sich die Nussigkeit des Knöterichgewächses lang durchsetzte. Herzhaft und kräftig, dabei kräutrig definiert war die wunderbare Lammbratwurst mit Purple Tepee (Blaue Buschbohne) von Kerstin Hintz Biohof Ottilie.
„Unser Blick aufs Wattenmeer“ war zugleich ein Rückblick auf Jens Rittmeyers Sylter Zeit. Dem Koch aus Halle an der Saale, der von sich sagt, er brauche Wasser in seiner Nähe. Zu Sylter Miesmuscheln kombinierte er Nordsee-Taschenkrebs und Kaisergranat aus Dänemark sowie Seegras. Fehlen durfte natürlich nicht eine intensive Muschelsauce. „Ohne Sauce kein Vergnügen“, lautet das Motto des 43-jährigen Saucenfans. So ließe sich streiten, ob es sich hier um eine inhaltsschwere Fischsuppe mit reichhaltiger Einlage oder ein süffiges Meeresfrüchtegericht handelte. Fest steht, dass es aromatisch wuchtig, doch differenziert natürlich und transparent zuging. Mit auf den Punkt gegarten Zutaten und starker jodiger Länge. Das zählt. „N°4, Buxtehude“ weiterlesen