Geliert, frittiert und emulgiert
Hier erscheinen nicht wirklich viele Rezepte und selten Fotos vom Selbstgekochten. Dabei wird fast jeden Tag zu Hause gekocht. Ich kann passabel kochen, aber ich kann nicht anrichten. Es sieht zwar zumeist nicht nach Desaster aus, aber liefert auch keine hübsch gestylten Teller mit passender Tablewear und abgestimmten Hintergrund.
Und dann fragte mich Mitte Februar Jörg Utecht, ob ich am 19.07. etwas vorhätte. Nö, wieso? Und auf einmal war ich Teil des rheinischen Männerabends, der später als Rheinkombinat mit ihm, Bernd Labetzsch und Claus Schlemmer den Abschluß beim diesjährigen Summer of Supper im Marieneck in Köln-Ehrenfeld bilden sollte. Nicht wie zu Hause für drei bis maximal acht Personen; nein, in der Kochschule von Marco Kramer dürfen einmal im Jahr Blogger und Hobby-Köche ran, um Gäste – beinahe unter Restaurantbedingungen – zu verköstigen.
Ich hatte die Bilder vom Vorjahr gesehen. Das half nicht gegen das mulmige Gefühl: die Messlatte schien hochgelegt und da es seinerzeit ein wenig unter dem Gesichtspunkt “Blogger kochen für Blogger” lief, wuselten noch viele Topfgucker mit Kamera herum. Aber keine Sorge, es war ja noch lange hin. Zwischendurch haben wir uns Mitte März zumindest zu Dritt getroffen, um einen kleinen Schlachtplan auszuhecken. Recht schnell war klar, Dessert mochte niemand machen – das haben wir dann dem nicht anwesenden Claus aufs Auge gedrückt. Das Motto sollten Gerichte mit einem rheinischen Bezug werden. Ich warf “Muschelterrine mit Fritten und Algenmayonnaise” in die Runde; prompt hatte ich meine Vorgabe. Jörg wollte eh etwas mit regionalem Gemüse vom empfehlenswerten Lenßenhof machen und Bernd an das spanische Restaurant Mugaritz angelehnte Kartoffelsteine – Kartoffeln gehen immer als rheinisch durch. Zum Zeitpunkt unserers Auftritts würde Bohnenzeit sein, daher fanden Bohnen – “Und mit welchem Fleisch, wenn Fleisch?” mit Rippchen den Weg in die Planungen für unseren als gemeinsam zu kochenden Hauptgang.
Und das Wasser floß den Rhein herunter. Ende Mai spürte ich dann doch ein wenig das Bedürfnis, nicht vollends unvorbereitet ins Rennen zu starten, schließlich hatte ich noch nie Pommes frites zubereitet. Aber erst einmal der für mich vermeintlich einfache Part, die Muschelterrine: klingt gut, geht bestimmt leicht. Aber wo wollte ich damit eigentlich hin? Nur glibberige Masse gebunden aus dem Muschelsud ohne Biß? Wohin mit den Muscheln nach dem Auskochen? Was dazu? Bei der Dekonstruktion des rheinisch und wegen der Fritten belgisch inspirierten Gerichts ersetzte ich die Algen in der Mayonnaise schnell durch Lorbeer, eine Zutat aus dem rheinischen Original und die rohen Eier unter Risikoaspekten einfach durch Milch, womit sich eine Mayo ebenso gut und lecker hochziehen läßt. Die Emulsion war also zügig abgehakt.
Und dann dauerte es wieder bis Ende Juni, bis ich mich erneut ins Trainingslager begab. Und ich habe nicht geschwitzt wie Fußballprofis in der sommerlichen Saisonvorbereitung – mir lief das Frittenfett Arme und Stirn hinunter. Fritten. Hier lag also die Crux. Welche Kartoffelsorte: mehlig oder vorwiegend festkochend? Das Fett: wie heiß und wie lange frittieren (ich wollte ja unbedingt nach unserem England-Trip 2013 zumindest double-fried)?. Ich habe Kartoffel- und Fettsorten probiert, Temperaturen notiert und wieder verworfen. Am Ende freute sich die Commis über Fettgebäck und ich hatte keinen Hunger mehr. Für Frittier-Tipps gebührt an dieser Stelle Johannes Arens Dank, der als Meister an der Fritteuse beim diesjährigen Auftakt des munteren Sommerprogramms dabei war.So dauerte es seine Zeit, bis ein passables Ergebnis auf dem Teller war und ich eine für mich annehmbare Kartoffelsorte – beim fliegenden Händler auf der Düsseldorfer Nordstraße. gefunden hatte. Zwei Tage vor der Veranstaltung lief etwas mit meiner Muschel-Bestellung schief. Ersatz zu besorgen, war auf die Schnelle gar nicht so einfach. Klar, schon bundesrepublikanische Kinder bekommen ja eingetrichtert: Muscheln nur in Monaten mit “r”! Das ist natürlich Unsinn, in Belgien, Frankreich und Italien ist immer Muschelzeit. Fischhändler Pahlke war im verdienten Sommerurlaub, da fand ich unerwartet Rettung bei El Pescador in Düsseldorf.Am Tag der Wahrheit war ich dann erstaunlich ruhig, wenngleich – ungewohnt für mich – um neun Uhr als erster am Ort des Geschehens. Auch alle unsere Einkäufe lagen, von uns mitgebracht oder von Marco besorgt, parat. Doch wo ist mein Queller? Da hatte sich am Vorabend wohl ein anderer Koch über meine Order hergemacht…ruhig Blut, Improvisieren ist alles! Ich legte also mit meinen Muscheln und und dem Saucenansatz für die Rippchen los.Während Bernd hochkonzentriert Olivenöl abmißt, Claus für sein Dessert Schokolade durch ein Sieb laufen läßt, ist Jörg schon beim Anrichten von Claus’ Amuse gueule. Kleiner Scherz: das letzte Foto entstand später beim gemeinsamen Anrichten.So eine Batterie an Backöfen und Damfgarern hätte ich für zuhause auch gerne. Bei uns waren alle Geräte im Einsatz, zwei Dampfgarer allein für die geschmorten Rippchen vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein, die wir direkt bei der Erzeugergemeinschaft bestellt hatten. Ich habe noch nie etwas vakuumiert und so lange bei Niedrigtemperatur gegart – warum nicht einfach mal beim Summer of Supper das Risiko eingehen? Schließlich waren doch alle Gerätschaften da und es schien mir so praktisch, das Fleisch à la minute nur noch portionieren zu müssen. Bei den Pommes hatte ich so viele Abschitte, daß ich kurzerhand noch eine Bratkartoffelcrème zubereitete. Arschruhe eben.Amuse gueule: Zitronen-Sauerkraut, Kartoffelstampf sowie Stücke gegarter Kartoffel, obenauf die gebratene Sahne und Gewürzessenz. Bei diesem leckeren frisch-intensiven Auftakt hat sich Claus von seinem letztjährigen Besuch im Nürnberger Essigbrätlein inspirieren lassen und ohne Rezept seine Version des nicht milchsauer vergorenen, sondern nur mit Zitrone gesäuerten Weißkohls vorgestellt.Von Jörgs Murrejedings, einer vierteiligen Möhrenvariation habe ich nur den leckeren Shot und die frittieren Streifen probieren können. Zu Mus und Salat kam ich leider nicht – kein Wunder, wenn man selber kocht. Farblich sehr Tanja Grandits…Bernds Steen un Mos, essbare Steine aus Kartoffeln und “Moos” mit Blaubeere machen optisch schon richtig was her. Und was hat der Bernd dafür hart gearbeitet und dabei geflucht, als er seine Masse für das Moos mühselig durch ein Sieb strich…Und dann war es soweit: Muschele-Ääpel-Sölz: Muschelsülze, Lorbeer-Mayonnaise, Muschelcrème und Pommes frites. Dank an meine Mitsreiter, daß es alles so ordentlich auf die Teller kam, während ich munter frittierte. Nicht meine beste Idee war, die Mayo in einen isi-Siphon zu füllen und das Petersilienöl in eine Dosierflasche mit zu feiner Öffnung. Die Credits, die Muscheln mit etwas Kabeljaufilet gebunden zur Crème zu verarbeiten, gehen an den Sylter Sympathieträger Johannes King , der auf einer ähnlichen Zubereitug dann noch Meeresfrüchte anrichtet.Unser gemeinsames Hauptgericht – Bunne un Reppe: Rippchen vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein mit in Butter geschwenkten gelben Bohnen und Bratkartoffelcrème – sieht rustikal aus. Aber was hätte hier schiefgehen sollen? Großartige Bohnen vom Lenßenhof und sehr gute Fleischqualität mit ausgezeichnetem Eigengeschmack. Bei der spontanen Idee zur Verarbeitung der Abschnitte von den Pommes frites stand Sven Hemmann aus dem Le Salon in Karlsruhe als Ideengeber Pate. Die Rippchen wurden – nach einer Inspiration von Daniel Achilles aus dem Reinstoff in Berlin – scharf angebraten und mit einem tomatisierten und mit Rübenkraut abgeschmeckten Saucenansatz vakuumiert und für Stunden bei Niedrigtemperatur gegart.Claus hat seine Dessertaufgabe mit Fleutekies met Schukelad un Iis: Zitronenquark, weiße Schokolade-Sauerrahm-Crème, Erbeer-Holunder-Eis und Schoko-Filoteig bravourös gelöst. Die Teller, die an die Gäste rausgingen, sahen noch toller aus. Das hier ist das Personalessen…Ich hatte bis zuletzt nicht geglaubt, daß 38 Menschen Karten erwerben würden, um von uns Amateuren bekocht zu werden. Sie kamen. Und niemand ging eher. Und hoffentlich blieb am Ende niemand hungrig.
Mit hat es jedenfalls mächtig Spaß gemacht. Die Bedenken im Vorfeld waren größer als die während des Tages kaum spürbare Anspannung. Insgesamt hatten wir eine entspannte Atmosphäre, bei der ich die Anstrengung und das Verfliegen der Stunden gar nicht wahrnahm.
Neben meinen Mitstreitern möchte ausdrücklich Marco für seine Idee, Location und Engelsgeduld, den beiden jungen Damen für die Hilfe beim Aufräumen, Spülen und Servieren und Andreas – ein super Typ – für seine last second-Ratschläge danken.
Wenn von den 4 Köchen einer n i c h t nervös war, dann doch wohl Du. Haste souverän hinbekommen. Chapeau.